Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Robert Holzmann, sieht es noch nicht als ausgemachte Sache, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen im September senken wird. Anders als andere EZB-Ratsmitglieder, die bereits Senkungen signalisiert haben, nimmt Holzmann eine abwartende Haltung ein. "Wie immer habe ich bis zum Tag der Entscheidung Vorbehalte, und wir werden noch eine Reihe von Daten erhalten", sagte der Notenbanker dem Nachrichtensender "Bloomberg TV" am Rande des Fed-Symposiums in Jackson Hole.

"Ich denke, wir müssen uns die Daten genauer ansehen", erklärte Holzmann, der im EZB-Rat zu den Falken zählt. "Ich hoffe, dass wir es schaffen. Ich bin nicht gegen eine Senkung, ich fürchte nur, dass ich sie nicht zu früh vornehmen möchte." Die Anleger gehen davon aus, dass die EZB auf ihrer Sitzung am 12. September eine Zinssenkung bekanntgeben wird. Für einige macht die zunehmende Schwäche der europäischen Wirtschaft – insbesondere in Deutschland – eine weitere Lockerung der Geldpolitik wahrscheinlicher.

Olympischer Aufschwung
Während die jüngsten Zahlen einen überraschenden Rückgang des Verbrauchervertrauens im Euroraum zeigten, belegte der S&P-Einkaufsmanagerindex einen beträchtlichen – wenn auch vorübergehenden – Aufschwung durch die Olympischen Spiele in Paris. Indessen fielen die zwischen den Tarifparteien ausgehandelten Lohnanstiege moderat aus, was die Bemühungen um eine Senkung der Inflationsrate auf zwei Prozent im Jahr 2025 unterstützt.

Holzmann war im Juni als einziger EZB-Rat gegen die erste Zinssenkung im Zyklus. Er geht davon aus, dass die Teuerungsrate womöglich nicht vor 2026 oder sogar 2027 nachhaltig auf das Zielniveau gedrückt werden kann. "Bei einigen herrscht der Eindruck vor, dass der Kampf gewonnen ist", so der OeNB-Chef. "Zu einem großen Teil ist das wahrscheinlich auch der Fall, aber es gibt definitiv einige Bereiche, in denen die Inflation noch fortbesteht, und das sind die Bereiche, die gefährlich werden können."

Auf die Fed linsen
Für eine Senkung der EZB-Leitzinsen spricht laut Holzmann der Beginn der geldpolitischen Lockerung durch die US-Notenbank. "Die Entscheidung wird auch davon beeinflusst werden, was die Fed tut", führte er aus. Zinssenkungen, die den Abstand zwischen den Kreditkosten im Euroraum und dem Dollar verringern, "würden die Entscheidung erleichtern, doch wir müssen auf unsere Inflationsfaktoren schauen, und die können anders sein als in den USA". (Bloomberg/ert)