Die Europäische Zentralbank (EZB) würde gegebenenfalls eine moderate Rezession in Kauf nehmen müssen, um den Preisdruck einzudämmen, sagte Robert Holzmann, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), am Sonntag in der Nachrichtensendung "ZIB 2". Holzmann, der Mitglied im EZB-Rat ist, ergänzte: "Wir hoffen, dass das nicht notwendig sein wird." Derzeit liege die langfristige Inflationserwartung nur leicht über der Marke von zwei Prozent, jedoch gebe es "einige Hinweise, dass das stärker steigen könnte".

Die Währungshüter des Euroraums haben in diesem Monat die Leitzinsen um einen halben Prozentpunkt und damit stärker als erwartet erhöht. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat angekündigt, mit der Straffung fortzufahren, bis die Inflation wieder das Zwei-Prozent-Ziel der Notenbank erreicht hat.

Weitere Anhebung im September
Holzmann zufolge wird das Ausmaß einer Zinserhöhung im September von der Entwicklung der Wirtschaftsaussichten abhängen. Es könne eine weitere Anhebung um 50 Basispunkte geben, eine größere oder eine kleinere. 

Holzmann verteidigte das Transmission Protection Instrument (TPI) der EZB, mit dem gegebenenfalls Turbulenzen auf den Anleihenmärkten der Eurozone verhindert werden sollen. Das Instrument sei nötig, weil "wir eine unvollständige Währungsunion haben, weil wir keinen zentralen Finanzminister haben, weil wir keine Kapitalmarktunion haben, weil wir keine Bankenmarktunion haben", so Holzmann. "Das führt dazu, dass wir mit Hilfsinstrumenten versuchen müssen, die Währungsunion zusammenzuhalten."

TPI in der Kritik
Im Rahmen des neuen Programms TPI kann die EZB gezielt Anleihen hochverschuldeter Staaten kaufen und so deren Refinanzierungskosten tief halten. Möglich sind auch Unternehmensanleihenkäufe. Damit kann die EZB die rasant steigende Inflation über Zinsanhebungen bekämpfen, ohne dass die schwachen Eurostaaten dadurch Probleme bekommen.

Kritiker meinen, durch das Programm sinke der Druck auf Problemstaaten, nötige Strukturreformen in Angriff zu nehmen. TPI stehe "im Widerspruch zu dem, was die EZB bislang wollte", sagt etwa Benjamin Bente, Geschäftsführer von Vates Invest. TPI heble den normalen Mechanismus aus, wonach der Markt mehr Zinsen verlangt, etwa wenn ein Land wie das derzeit politisch wieder instabile Italien sich weiter überschuldet und dann noch politisch dysfunktional wird. "Der Kauf der Anleihen wäre noch vertretbar, wenn er an konkrete Vorgaben zur Konsolidierung gebunden und mengenmäßig begrenzt wäre", sagt Bente.

"Tor zur monetären Staatsfinanzierung aufgestoßen"
Nun werde endgültig das Tor zur monetären Staatsfinanzierung aufgestoßen. Die EZB schaffe es zwar, den Interessenkonflikt zwischen Inflationsbekämpfung und Belastung schwacher Länder durch die Zinserhöhungen auszugleichen. Eine marktwirtschaftliche "Bestrafung" für finanzielle Disziplinlosigkeit gebe es nach TPI jedoch nicht mehr.

Bisher wurden italienische Anleihen nur gemäß dem Anteil Italiens an der EZB gekauft. "Dies war bereits ein Einstieg in die Staatsfinanzierung, aber noch vergleichbar moderat", sagt Bente. "Jetzt kann ein Land im Grunde machen, was es will, und wenn es dann mit einer Spread-Ausweitung von den Märkten dafür bestraft wird, schreitet die EZB ein", so Bente. (eml)