Im "Bloomberg"-Interview sagte Robert Holzmann, der im EZB-Rat zu den Falken zählt, die Wirtschaft des Euroraums sei nicht von einer Rezession bedroht. Der florierende Arbeitsmarkt bedeute, dass die Gewerkschaften einen Hebel für umfangreiche Lohnerhöhungen haben könnten. "Was die Inflation angeht, sind wir noch nicht aus dem Schneider", sagte der Chef der Oesterreichischen Nationalbank. "Wenn es keine großen Überraschungen gibt, sehe ich gute Gründe dafür, die Zinserhöhungen fortzusetzen, ohne eine Pause einzulegen." Entscheidend sei die weitere Datenentwicklung.

Holzmann zählt schon lange zu den restriktivsten Ratsmitgliedern. Aus dem Falkenlager der EZB hatten vergangene Woche am Rande des Fed-Symposiums in Jackson Hole bereits Bundesbankchef Joachim Nagel und Lettlands Chefnotenbanker Martins Kazaks signalisiert, ebenfalls zu einer weiteren Zinsanhebung zu tendieren.

Jetzt ist nicht die Zeit, zu zögern
Unter den Tauben im Zentralbankrat indessen hatte Portugals Mario Centeno auf die aufkommenden Abwärtsrisiken für die Konjunktur verwiesen und bei den weiteren geldpolitischen Schritten zur Vorsicht gemahnt. Holzmann ist jedoch der Meinung, dass jetzt nicht die Zeit ist, zu zögern. "Es ist besser, den Zinsgipfel schneller zu erreichen, was auch bedeutet, dass wir früher anfangen können, die Zinsen zu senken", führte der OeNB-Chef aus. "Für die Märkte ist es schwieriger, einen Stop-and-Go-Zinskurs zu verdauen."

Er fügte hinzu, dass die EZB weiterhin "etwas hinter der Kurve" im Kampf gegen die Inflation ist. Auf die Frage, ob die Zinserhöhungen über den September hinaus fortgesetzt werden könnten, meinte der österreichische Nationalbank-Chef: "Sobald wir vier Prozent erreicht haben, werden wir erneut darüber diskutieren."

EZB-Präsidentin Christine Lagarde vermied es in ihrer Rede in Jackson Hole, klare Signale zur bevorstehenden Entscheidung der EZB zu senden – obwohl sie eingestand, dass die Inflation in der Eurozone weiterhin unbesiegt ist.

"Die Wirtschaft läuft nicht so gut, wie wir gehofft hatten"
Neue Verbraucherpreisdaten für August werden am Donnerstag (31.8.) veröffentlicht, während eine endgültige Bewertung der wirtschaftlichen Leistung der Region im zweiten Quartal eine Woche später verfügbar sein wird. "Die Wirtschaft läuft nicht so gut, wie wir gehofft hatten, aber gleichzeitig ist der Abschwung nicht so gewaltig, dass wir über eine Rezession sprechen müssen", sagte Holzmann. "Wir haben es mit einer stagnierenden Wirtschaft zu tun."

"Es ist an der Zeit, mehr zu tun"
Vor diesem Hintergrund sollte die EZB in Erwägung ziehen, den Abbau ihrer Bilanz zu beschleunigen, fügte er hinzu. Während unter einem älteren Programm gekaufte Anleihen derzeit auslaufen dürfen, werden die Wiederveranlagungen im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) voraussichtlich mindestens bis Ende 2024 fortgesetzt. 

"Ich bin ein großer Verfechter der Debatte über ein früheres Ende der PEPP-Wiederveranlagungen als derzeit vorgesehen", sagte Holzmann. "Ich schätze ihre Fähigkeit, die Spannungen auf den Finanzmärkten zu bewältigen, aber es ist an der Zeit, mehr zu tun." (mb/Bloomberg)