Der kräftige Lohnanstieg in Deutschland ist nach Einschätzung der Bundesbank ungebrochen und dürfte die Inflation hoch halten. Das ist ein beunruhigendes Signal für die Europäische Zentralbank (EZB), die darum kämpft, die Teuerung wieder auf ihr Ziel von zwei Prozent zurückzubringen.

Die Tariflöhne seien im Frühjahr um 4,2 Prozent gestiegen, teilt die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht mit. Die Forderungen der Gewerkschaften seien nach wie vor hoch – zwischen sieben und 19 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. "Die bis zuletzt hohe Streikbereitschaft und die immer noch verbreitete Arbeitskräfteknappheit sprechen für auch künftig vergleichsweise hohe Lohnanhebungen", hieß es. Dies werde die zugrunde liegende Inflation wahrscheinlich "auf einem erhöhten Niveau" halten.

Auf die Daten aus der Eurozone kommt es an
Der Bericht erschien wenige Tage vor den entscheidenden Lohndaten aus der Eurozone. Auf deren Grundlage wollen die EZB-Währungshüter entscheiden, ob nach dem ersten Zinsschritt im Juni weitere Zinssenkungen gerechtfertigt sind.

Die Notenbanker gehen davon aus, dass die Inflation Ende nächsten Jahres bei zwei Prozent liegen wird. Diese Prognose basiert jedoch auf einer Kombination aus moderatem Lohnwachstum, Unternehmensgewinnen, die einen Teil der Lohnerhöhungen auffangen, und höherer Produktivität, die die Lohnstückkosten senkt. Die neuen Produktivitätsdaten der letzten Woche waren enttäuschend und haben den Eindruck verstärkt, dass die Prognose der EZB zu optimistisch ist.

"Lohnsteigerungen gewinnen an Bedeutung"
In Deutschland stiegen die Tarifverdienste einschließlich Sonderzahlungen im zweiten Quartal um 3,1 Prozent und damit nur noch halb so stark wie im vorangegangenen Dreimonatszeitraum. Die Bundesbank wies darauf hin, dass dies vor allem auf die Auswirkungen der hohen steuerfreien Inflationsausgleichsprämien zurückzuführen sei, die den Lohnanstieg im ersten Quartal nach oben getrieben und danach gedämpft hätten.

"Ohne Berücksichtigung dieser Sonderzahlungen nahmen die Tarifverdienste im Frühjahr mit 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr aber spürbar stärker zu als im Winter (3,0 Prozent)", hieß es. "Die dauerhaften Lohnsteigerungen gewinnen an Bedeutung." (fp/Bloomberg)