Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht. Dieses Bonmot drängt sich unweigerlich auf, wenn man Versicherungsvermittler fragt, wie sie die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD nach den ersten Monaten im "Praxismodus" beurteilen. FONDS professionell hat sich umgehört, wie die Richtlinie auf den beruflichen Alltag wirkt.

Agenten, Makler und Vermögensberater berichten vor allem von einem Problem der Überinformation: "In der fondsgebundenen Lebensversicherung habe ich 50 bis 70 Seiten, die ich mit den Kunden durchgehen muss. Die steigen da schlicht und einfach aus", sagt Finanzdienstleister-Fachverbandsobmann Hannes Dolzer, der selbst Vermögensberater und Versicherungsmakler ist. Der beabsichtigte Kundenschutz werde dadurch weitgehend konterkariert.

Christoph Berghammer, Obmann der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten, sagt, "irgendwann werden wir uns mit der Politik zusammensetzen müssen, um zu prüfen, was man machen kann." Auch betriebswirtschaftlich sei der Aufwand enorm. Man werde beobachten, ob es durch den gesteigerten Aufwand Rückgänge in der Statistik gibt, verspricht Berghammer.

"26 Mal Datenschutzerklärung"
Selbst einfachen Sachversicherungen sind in hohem Maß von der Zettelwirtschaft betroffen. "Ich muss in diesem Massengeschäft bis zu 20 ­Seiten Anträge vorlegen", schildert Horst Grandits, Obmann der Versicherungsagenten in der Wirtschaftskammer.

Allein die Datenschutzbestimmungen hätten einen Umfang von sechs Seiten. "Ich frage mich, ob ich einem Kunden, den ich über Jahre begleite oder oft sogar ein Leben lang, 26 Mal die Datenschutzbestimmungen vorlegen muss", so der Agenten-Obmann.

Statusklarheit – Widerstand
In den Papierbergen manifestiert sich die IDD wohl am sichtbarsten. Im Hintergrund müssen viele Vermittler freilich mit weitaus drastischeren Nebenwirkungen klarkommen. Und die sind durchaus hausgemacht. Eine davon ist die sogenannte Statusklarheit, also das Verbot, in einer Person als (gebundener) Versicherungsmakler und als (freier) Versicherungsagent tätig zu sein. Mehrere hundert Makler, Agenten oder Vermögensberater, die bisher Doppelberechtigungen hatten, ­befürchten hohe Einnahmenverluste, wenn sie eines der Gewerbe zurücklegen müssen. "Manche sagen Statusklarheit, ich sage Berufsverbot", spricht Finanzdienstleister-Obmann Dolzer Klartext.

Österreich habe hier Goldplating betrieben, denn die IDD verlange in Artikel 18 nur, dass man vor Vertrags­abschluss dem Kunden mitteilt, ob man gebunden oder frei vermittelt. Diese Offen­legung hätte auch gereicht, so Dolzer. "Wir haben 750 betroffene Betriebe, die müssen mit den Versicherungen die Courtagevereinbarungen oder die Agenturverträge neu verhandeln und steigen dabei oft schlechter aus", ärgert er sich.

Sechsstelliger Verlust
Wie das in der Realität aussieht, veranschaulicht Oliver Walla, Obmann-Stellvertreter der Finanzdienstleister in der WK Wien. Er vermittelt Versicherungen als Makler und hat als Agent nebenbei einen Vertrieb mit 20 Zuträgern aufgebaut, die Agenten bleiben wollen. Legt Walla das Maklergewerbe zurück, könne er zum einen seine Kunden nicht mehr wie gewohnt unabhängig beraten, erklärt er; zum anderen müsste er auf Teile des Geschäfts verzichten, zum Beispiel weil einer der Versicherer schlicht nicht mit Agenten zusammenarbeitet. Legt er hingegen die Agentenberechtigung still, hätte Walla Probleme mit seinen Zuträgern, die ja Agenten bleiben wollen, und weiters "kann der Versicherer das als Anlassfall sehen, mir die Courtage zu kündigen, und hier gibt es dann keine Abschlagszahlung", erklärt er. Er habe sich sein Netz über Jahre erarbeitet. Jede Variante würde für ihn einen Verlust im sechsstelligen Bereich bedeuten.

Finanzdienstleister-Obmann Dolzer sagt dazu, dass gegebenenfalls ein weiteres Unternehmen gegründet werden müsse. Ein unnötiger Aufwand – und gegen mögliche Probleme bei der Neuverhandlung von Verträgen hilft das auch nicht.

Verfassungsklage angestrebt
Kollege Walla will die Änderungen nicht hinnehmen und strebt mit gut zwei Dutzend Betroffenen eine Verfassungsklage an. Diese sei in Arbeit. Die Statusklarheit ist Teil der heuer Ende Jänner in Kraft getretene Versi­cherungsvermittlungsnovelle (§ 137 Abs. 2 GewO). Für bereits bestehende Doppelgewerbe gibt es eine Übergangsfrist bis 2020. Wer sich bis dahin nicht entscheidet, wird auto­matisch als Agent eingestuft, warnt Walla. Die Vermögensberater haben sich massiv gegen die Statusklarheit gewehrt.

Agentenobmann Grandits, der genauso wie die Makler für die Statusklarheit war, sieht hingegen keine Probleme. Er habe gehört, dass von nachteiligen Nachbesserung der Vereinbarungen die Rede sei, habe aber noch keine derartigen Pläne von Versicherern gehört. "Ich habe hingegen Beispiele gesehen, wo die Versicherungsunternehmen den Pro­visionsanspruch einfach transferiert haben und man am Ende auf das Gleiche kommt", sagt er. Die Versicherer hätten schließlich ein Interesse daran, dass das Geschäft weiter läuft, argumentiert er. "Aber man muss natürlich ­reden mit seinen Partnern und verhandeln. Daher sage ich: Sucht das Gespräch!", fordert Grandits.

„Mehr Leute in Schulungen“
Bei all dem Gepolter darf nicht vergessen werden, dass die Vermittler in den ersten IDD-Monaten durchaus auch eine Wandlung zum Guten wahrgenommen haben. "Bei der Weiterbildung gibt es wirklich eine positive Veränderung. Wir haben viel mehr Leute in den Schulungen, das muss man einmal erwähnen", sagt Makler-Obmann Berghammer. "Ich sehe die IDD als Chance, einen Markt zu bekommen, auf dem sauber gearbeitet wird", sagt er.

Es muss allerdings erwähnt werden, dass es sich auch bei den Schulungen noch spießt, da bekanntlich die Lehrpläne noch nicht fertig sind. Das, obwohl seit Jahresbeginn die verpflichtende Weiterbildung einzuhalten ist. Unter anderem wird noch darüber gestritten, welche Schulungsinstitute als unabhängig gelten.

Aus der Sicht von Agentenobmann Grandits tragen insbesondere die Versicherer mit ihren Ideen von Unabhängigkeit dazu bei, dass dieser Prozess stockt: Die Versicherungsunternehmen hätten Angst, dass insbesondere die Agenten plötzlich ein Infoangebot bekommen, das über den bisher bei eigenen Veranstaltungen gebotenen Horizont hinausreicht.

FMA beobachtet Qualität
Sehr unterschiedlich wird auch die Frage beurteilt, welchen Weg die Branche in den ersten IDD-Monaten bei den nun vorgeschriebenen qualitätsbezogenen Bonifikationen gefunden hat. Mehr dazu lesen Sie in der Printausgabe 1/2019. Der neue gesetzliche Rahmen verlangt, dass Vermittler weitgehend auf Basis qualitativer Kriterien für ihre Leistungen belohnt werden. Wie diese aussehen, darauf gibt vorerst nur eine delegierte Verordnung beispielhaft Hinweise. Die FMA sagt auf Nachfrage, sie werde sich ein Bild davon machen, "wie gut die Regelungen von den Unternehmen eingehalten werden". Dann entscheidet die Behörde, ob sie exakte Vorgaben macht. "Die Offenlegungspflichten zu den Vergütungen werden wir uns heuer etwa im Rahmen unseres Aufsichtsschwerpunkts zu Markttransparenz und Informationspflichten ansehen", sagte ein Sprecher. (eml)


Den ausführlichen Bericht finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 1/2019 von FONDS professionell, die den Abonnenten in diesen Tagen zugestellt wird.