Viele Ökonomen glauben, die Weltwirtschaft stehe am Rand einer Deflation. Michael Hasenstab, Star-Fondsmanager von Franklin Templeton, sieht das anders. Auf den ersten Blick ist die Lage zweigeteilt: In vielen Schwellenländern ist die Inflation hoch, oberhalb der Zielwerte. Zugleich hat der Einbruch der Rohstoffpreise in vielen Industriestaaten die Gesamtinflation gedrückt. "Das ist jedoch ein vorübergehender Effekt", sagt Hasenstab. "Die Kerninflation ist nach wie vor stabil." Berechnungen von Franklin Templeton zeigen: Die globale Produktionslücke vergrößert sich allmählich. "Im Zuge der Erholung in den Schwellenländern dürfte sich diese Entwicklung fortsetzen, was Aufwärtsdruck für die Inflationsraten bedeutet", erklärt der Fondsmanager.

Die USA sind nach wie vor der wichtigste Motor für die Weltwirtschaft. Anleger sollten deshalb die dortige Inflationsdynamik im Blick behalten. Der US-Arbeitsmarkt steht kurz vor der Vollbeschäftigung, das Wachstum der Durchschnittslöhne ist zuletzt trotzdem schwach ausgefallen. Diese Entwicklung wird oft als Beleg dafür herangezogen, dass die Inflation extrem niedrig bleiben wird. "Unseren Analysen zufolge beschleunigt sich der Lohnzuwachs jedoch allmählich", sagt Hasenstab. Darüber hinaus ist die Korrelation zwischen Arbeitslosenquote und Inflation in den USA seit 2006 gestiegen. "Demnach müsste sich der anhaltende Rückgang der Arbeitslosenquote in stärkerem Inflationsdruck bemerkbar machen."

Inflationsrate kann zweistellig werden
Im Zuge der Geldpolitik der vergangenen Jahre sind die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und der Geldschöpfungsmultiplikatoren rapide gefallen. Sobald sie wieder auf ihre Vorkrisenniveaus steigen, wäre ein Anstieg der Inflation im zweistelligen Bereich die Folge. "Damit wollen wir nicht sagen, dass auf kurze Sicht mit derartigen Preissteigerungen zu rechnen ist", sagt Hasenstab. "Eine teilweise Korrektur der Umlaufgeschwindigkeit und Geldmengenmultiplikatoren in Richtung der historischen Norm ist jedoch plausibel und würde zusätzlichen Inflationsdruck bedeuten." Das würde wiederum die Rückkehr zu einer normalen Geldpolitik erschweren. (fp)