Crowdinvesting füllt die Säle. Wenn die Wirtschaftskammer zur Best Practice Präsentation lädt, dann ist das Publikum groß und jung und die Stimmung hoffnungsvoll. Am Rande erfährt man aber auch, dass es in der dynamischen Branche Graubereiche gibt, die noch definiert werden müssen – und das zur Abwechslung mal ganz ohne das Problemkind Kitzventure (FONDS professionell berichtete).

Da wäre etwa die Frage der Haftung. Beispiel: Ein Vermögensberater empfiehlt seinem Kunden ein Crowd-Investment zur Beimischung und vermittelt ihn an eine Crowdinvesting-Plattform (CIP). Das Investment geht nicht auf, der Kunde fühlt sich geschädigt und überlegt, an wem er sich schadlos halten will: "Vermögensberater, die hier sichergehen wollen, sollten sich eine solche Empfehlung gut überlegen", meint Martin Heimhilcher, Spartenobmann Information und Consulting der Wirtschaftskammer Wien zu FONDS professionell ONLINE. Die Kammer wolle hier noch genauere Positionen ausarbeiten. "Im Moment wäre ich vorsichtig", sagt Heimhilcher.

CIP sind selbst Vermögensberater
Crowdinvesting-Plattformen müssen laut dem 2015 beschlossenen Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG), das dem Sektor enormen Auftrieb gegeben hat, selbst eine Berechtigung als gewerbliche Vermögensberater besitzen (beziehungsweise eine Konzession für Wertpapierdienstleistungserbringung). Die Frage sei für alle beteiligten Seiten immer, wie gut die Vermögensschadenshaftpflichversicherung ist, sagt Reinhard Hönig, Chief Security Officer (CSO) der Kreditplattform Finnest. Wie bei allen neuen Instrumenten habe auch Finnest mit den Versicherungen zahlreiche Diskussionen führen müssen, bestätigt Hönig. Es bedürfe einer genauen Absteckung, was inbegriffen sei und was nicht.

Wolfgang Deutschmann, Managing Director und Mitgründer der Rocket Gruppe (Lion Rocket, Green Rocket, Home Rocket), schätzt hingegen das Problem als nebensächlich ein: Man arbeite vorwiegend mit einem ausgewählten Vermögensverwaltungspartner zusammen. Der kenne die Risiken und könne diese seinen Kunden erklären. Das Geschäft, das externe Vermögensverwalter zubringen, sei nicht der Löwenanteil, aber wichtig. Man habe kein Problem gehabt, eine geeignete Versicherung zu finden, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Crowdinvesting eingeht.

Gute Zinsen, hohes Risiko, neue Möglichkeiten
Für Vermögensberater wiederum wird Crowdinvesting ein immer interessanteres Vehikel zur Beimischung: Die Zinsen sind alternativlos gut. Gleichzeitig haben sich mit der Einführung des AltFG 2015 die am Markt angebotenen Möglichkeiten vervielfacht. 2016 haben die 13 Plattformen, die sich den freiwilligen Standesregeln der WKO unterwerfen, 22,7 Millionen Euro eingesammelt und damit 71 Projekte finanziert. Das ist mehr als das Doppelte aus den Jahren 2014 und 2015 zusammen.

Interessant ist Crowdinvesting nicht zuletzt, weil es ermöglicht, direkt in KMUs zu investieren und damit einen der Grundsätze aller Anlage-Gurus umzusetzen: Investiere in Unternehmen, deren Produkte du gern selbst kaufst und an die du glaubst. Solche Weisheiten, die Investmentlegenden wie Peter Lynch für die USA predigen, sind in Österreich aufgrund der Kleinheit des Börsenmarktes nur begrenzt umsetzbar.  

Nachrangdarlehen – Anleger klammern Totalverlust aus
Allerdings ist die Risikosituation für Anleger beachtlich: Über 90 Prozent der über Crowdinvesting finanzierten Projekte werden über Nachrangdarlehen abgewickelt, das laut AltFG ausdrücklich für solche Zwecke forciert wird. Für den Geldgeber bedeutet das, dass er im Falle einer Insolvenz erst dann Geld sieht, wenn davor alle anderen Gläubiger ihr Geld erhalten haben (Nachrangklausel).

Und selbst die ansehnlichen Zinsen sind nicht garantiert. "Zinsen sind nur zu leisten, wenn in diesem Jahr ein entsprechender frei verfügbarer Jahresüberschuss erwirtschaftet wurde, ansonsten entfällt die Zinszahlung“, erklärt die FMA. Das Risiko eines Totalverlustes wird bei allen Plattformen zwar angeführt. Allerdings sei dies Privatanlegern häufig immer noch zu wenig bewusst, monierten alle Seiten im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE.

"Arbeiten auch an Anleihen"
Laut Finnest-CSO Hönig arbeite man auch daran, andere Instrumente, die im AltFG vorgesehen sind, umzusetzen, wie Anleihen oder Aktien: "Technisch können wir bereits alles, aber regulatorisch sind die Auflagen für Anleihen oder Aktien einfach noch zu hoch. Wir wollen definitiv in diese Richtung ausbauen. Aber hier muss noch einiges vereinfacht werden“. 

Allerdings haben die Nachrangdarlehen auch eine wenig beachtete positive Seite für die Unternehmen – nämlich, weil sie die Bankfinanzierung erleichtern können. Aus Bankensicht sei Crowdinvesting keine Bedrohung, sagt Georg Kraft-Kinz, stellvertretender Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien. Mit dem Sager "ich bin der mit der Einlagensicherung“ sorgte er bei der Podiumsdiskussion mit Vertretern von Crowd-Plattformen für Erheiterung im Publikum.

Mezzanine-Kapital gefällt auch Banken
Aus Sicht der Banken würden die Nachrangdarlehen, die ein Unternehmen über Crowdinvesting aufnimmt, als Mezzanine-Kapital wie Eigenkapital gewertet. Insgesamt könnten sich also durch die bessere Eigenkapitalausstattung eines Unternehmens die Konditionen für die Kreditvergabe verbessern, wenn es hier eine Beimischung gibt, so Kraft-Kinz.

Ein wesentlicher Teil der Unternehmen, die Crowdinvesting betreiben, mache das allerdings ohnehin nicht, weil sie Kapital benötigen, sagt Finnest-Mann Hönig. Er habe einen Hotelbetreiber und einen Fruchtsafthersteller betreut, die das rein aus Kundenbindungszwecken gemacht haben. In vielen Fällen werden Zinsen als Warengutscheine bezahlt oder auf Kundenkarten gebucht. Die Finanzierungskosten werden als Marketingkosten betrachtet. (eml)