Die EU-Staaten wollen im Kampf gegen den Klimawandel das Geld von Investoren und Anlegern in nachhaltige Unternehmen oder Projekte lenken. Dafür ist es notwendig, zu definieren, welche Wirtschaftstätigkeiten überhaupt nachhaltig sind. Ein solches einheitliches Klassifikationssystem ("Taxonomie") hat Dienstagnacht (17. Dezember) das EU-Parlament durchgewunken.

Es basiert auf einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission – die sich zu einem Kompromiss durchgerungen hat. Diesem geht ein erbitterter Streit der Mitgliedsstaaten voraus, ob Atomenergie "grün" ist oder nicht. Großbritannien, Frankreich sowie die osteuropäischen Länder Tschechien, Ungarn, Polen, die Slowakei, Rumänien, Bulgarien und Slowenien haben noch in der Vorwoche einen früheren Vorschlag abgelehnt, weil sie befürchteten, dass gewisse Investitionen in Kernenergie- und Gasprojekte nicht als "grün" eingestuft werden könnten, wie die EU-Politikberichterstattungs-Plattform Euractiv berichtete.

Dem gegenüber standen Länder wie das Atomkraftwerk-freie Österreich oder das aus der Kernenergie aussteigende Deutschland, die mit der Taxonomie keine Unterschreitung eigener Standards eingehen wollten.

Atomkraft nicht explizit genannt
Die neue Regelung ist nun "technikneutral", wie das EU-Parlament mitteilt. Einzig feste fossile Brennstoffe wie Stein- oder Braunkohle können definitiv nicht als nachhaltig deklariert werden. Erdgas und Kernenergie sind jedoch nicht ausdrücklich von der Verordnung ausgenommen, betont das EU-Parlament. Beide werden lediglich als "Übergangsenergiequellen" anerkannt.

Der Kompromiss enthält "ein klares Mandat für die Kommission, zu einem späteren Zeitpunkt mit der Definition umweltschädlicher Aktivitäten zu beginnen", wie das EU-Parlament festhält. Das Klassifizierungssystem soll es Investoren ermöglichen, grüne Investitionen zu erkennen und grenzüberschreitend zu vergleichen.

Der Vorschlag sieht wie bisher vor, dass Projekte generell in drei Kategorien eingeteilt werden – in rein grün, so wie "Übergangsaktivitäten" und "aktivierende" Aktivitäten für nicht komplett emissionsfreie Projekte, die aber zur Klimaneutralität beitragen. Jedes Finanzprodukt muss verpflichtend den Anteil angeben, der in diese Ermöglichungs- und Übergangsaktivitäten investiert wird.

Der künftige Rahmen basiert auf sechs Klimazieheln:

1. Klimaschutz;
2. Anpassung an den Klimawandel;
3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen;
4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft;
5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung; und
6. Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme.

Um als umweltverträglich eingestuft zu werden, müssen wirtschaftliche Aktivitäten die folgenden Anforderungen erfüllen: einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs oben genannten Umweltziele leisten, die Umweltziele nicht wesentlich beeinträchtigen, unter Einhaltung sozialer Mindestgarantien durchgeführt werden und bestimmte "technische Überprüfungskriterien" erfüllen. Die EU peilt ein Inkrafttreten der Klima-Taxonomie bis Ende 2021 an.

Das französische EU-Parlamentsmitglied Pascal Canfin, der den Vorsitz im einflussreichen Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (ENVI) führt, zeigte sich gegenüber Euractiv zufrieden: "Gas und Atomkraft können unter keinen Umständen in die Kategorie der sogenannten 'rein grünen' Investitionen aufgenommen werden, aber sie sind von anderen Kategorien weder grundsätzlich ein- noch ausgeschlossen. Wie alle Technologien, die unter die Taxonomie fallen, werden sie den strengen Tests unter dem Prinzip 'do not significant harm' (DNSH) unterzogen", meint Canfin. (eml)