Inflation und Zinsen werden länger hoch bleiben als der Markt erwartet, erläuterte James Ashley, Leiter Marktstrategie Europa und Asien bei Goldman Sachs Asset Management, im ersten Teil des Gesprächs mit FONDS professionell ONLINE. Im zweiten Teil des Interviews blickt er vor allem auf die Schwellenländer, verrät aber auch, worauf es jetzt bei der Vermögensallokation insgesamt ankommt.


Herr Ashley, was halten Sie von Schwellenländern?

James Ashley: Wir halten dies für einen sehr günstigen Einstiegszeitpunkt für Schwellenländer. Das liegt zum einen an den guten internen Rahmenbedingungen in vielen Ländern und an den attraktiven Bewertungen. Aber auch das globale Umfeld spricht für Emerging Markets: Die US-Notenbank hebt die Zinsen nicht weiter an und senkt sie vielleicht sogar irgendwann kommendes Jahr, dazu schwächt sich der Dollar eher ab. Das verbessert die Finanzierungskonditionen weltweit. Selbst wenn es doch zur milden Rezession in den USA kommt, dürften die positiven Zins- und Währungseffekte überwiegen. 

Wie sollten Anleger hier vorgehen?

Ashley: In Schwellenländern ist die Verteilung der Anlageergebnisse voraussichtlich sehr breit gestreut und es gilt, die besten von den schlechtesten Märkten zu trennen. Hier ist aktives Management unserer Überzeugung nach entscheidend. 

China ist dabei wohl einer der schlechteren Märkte.

Ashley: China ist unserer Meinung nach sowohl von seiner Wirtschaft als auch vom Marktanteil in den Schwellenländerindizes so groß, dass Investoren das Land separat betrachten sollten. Das gilt sowohl bei steigenden wie fallenden Kursen. Man sollte zuerst eine klare Einschätzung zu China haben und dann China als Teil der gesamten EM-Allokation betrachten. Genauso wie Anleger innerhalb der Industrieländer die US- und Europa-Allokation unterscheiden, sollten sie in den Schwellenländern zwischen China und den anderen Märkten differenzieren. 

Welche Favoriten haben Sie in den Emerging Markets?

Ashley: In den Schwellenländern bevorzugen wir vor allem Indien – das Land bietet sowohl kurz- als auch langfristig eine überzeugende Wachstumsstory. Hier finden wir gute Firmen, Potenzial und vielversprechende Entwicklungen der Rahmenbedingungen. Wenn Sie nun unser Übergewicht in Japan und Indien zusammennehmen, dann sehen Sie auch, dass wir insgesamt einen starken Asienfokus haben. 

Wie beurteilen Sie die Anleihenmärkte derzeit?

Ashley: Wir bevorzugen kurze Laufzeiten bei Anleihen. Wie gesagt rechnen wir damit, dass die Kurzfristzinsen länger als erwartet hoch bleiben werden. Auch langlaufende Papiere sehen wieder attraktiver aus, zehnjährige Bundesanleihen bieten aktuell beispielsweise rund 2,8 Prozent Rendite, aber noch bevorzugen wir die kurzen Laufzeiten. Bei Unternehmensanleihen suchen wir nach qualitativ besseren Schuldnern. Das gilt gerade vor dem Hintergrund einer möglichen Rezession, die dann vor allem die Hochzinsanleihen treffen würde. Schließlich sind die Risikoprämien deutlich gesunken und bieten nur wenig Risikopuffer.

Sind Schwellenländeranleihen ähnlich attraktiv wie Emerging-Markets-Aktien?

Ashley: Die meisten Investoren denken bei diesen Wertpapieren ja an Staatsanleihen in Hart- und Lokalwährung. Wir sehen aber besonders gute Chancen bei Unternehmensanleihen aus Schwellenländern. Diese bieten oft attraktive Zinsen und hohe Liquidität. Mit aktiver Selektion lassen sich hier noch dazu sehr gute Zusatzerträge erzielen.

Müssen Anleger ihre Ertragserwartungen an das neue Umfeld höherer Zinsen und politischer wie struktureller Herausforderungen anpassen?

Ashley: Bei Aktien sehen wir einige Belastungen, etwa die angesprochene Demografie, die höheren Kapitalkosten und das langfristig etwas geringere Realwachstum. Das unterscheidet sich deutlich von der Liquiditätsschwemme des vergangenen Jahrzehnts. In einem solchen Umfeld muss man seine Aktienertragserwartungen etwas reduzieren. Ganz anders auf der Anleihenseite: Nach dem Zinsanstieg sehen wir nun deutlich höhere Ertragsperspektiven bei Anleihen. Das heißt, dass die Renditeerwartungen für Multi-Asset-Portfolios zwar insgesamt gleich bleiben, aber die Ertragsquellen haben sich verändert.

Kurz gesagt heißt das: mehr Anleihen, weniger Aktien?

Ashley: Das könnte die langfristige Lösung sein, und viele Investoren setzen das ja bereits um. 

Vielen Dank für das Gespräch. (jh)