Der Vermögensverwalter Thomas Grüner warnt Anleger vor der Erwartung, der Goldpreis werde von den 2024 wohl anstehenden Leitzinssenkungen profitieren. Der Gründer von Grüner Fisher Investments zitiert das Argument, dass die relative Attraktivität von Gold erheblich im Vergleich zu Anleihen zunehme, wenn die Zinsen fallen. "Diese Theorie klingt zwar durchaus etwas logisch und ziemlich einfach, sie ist aber ebenso einfach zu widerlegen", betont Grüner.

Wenn sinkende Zinssätze tatsächlich gut für Gold seien, dann sollten sich die langfristigen Zeitreihen überwiegend in entgegengesetzte Richtungen bewegen, meint Grüner. Das sei allerdings nicht der Fall. "Seit 1973, als der freie Handel mit Gold begann, hat der Goldpreis zu US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit eine Korrelation von -0,07. Es gibt also so gut wie keine Verbindung", berichtet der Vermögensverwalter.

Mal geht die Rechnung auf, mal nicht
In dieser Entwicklung seien längere Zeiträume enthalten, in denen der Goldpreis parallel zu den US-Zinsen gelaufen sei, beispielsweise in der Abwärtsbewegung während der 1980er und 1990er Jahre. "Es gibt aber auch Zeitpunkte zu beobachten, in denen die Gegenläufigkeit nahezu perfekt zu funktionieren scheint", erläutert Grüner. Beispielsweise hätten beide Zeitreihen am 6. August 2020 einen Wendepunkt markiert – langfristige US-Zinsen hätten ihren Tiefpunkt und Gold ein Rekordhoch erreicht, das bis vor Kurzem hielt. Seitdem seien die Zinsen gestiegen, und Gold habe sich lange schwergetan. Es falle also leicht, hier einen fundamentalen Zusammenhang zu vermuten und diesen in die Zukunft zu extrapolieren. Grüner meint jedoch, dies halte einer genaueren Prüfung nicht stand. Kräftige Zinserhöhungen hätten den Goldpreis nicht zerstört. Also falle es schwer, zu verstehen, warum fallende Zinsen plötzlich einen massiven Aufwärtstrend bei Gold erzeugen sollten, so Grüner.

Goldinvestoren brauchen ein glückliches Händchen
"Unsere grundsätzliche Einstellung zu Gold bleibt unverändert: Eine erfolgreiche Investition in Gold – im relativen Vergleich zu alternativen Anlageklassen wie Anleihen und Aktien – erfordert außergewöhnlich gute Timing-Fähigkeiten", resümiert Grüner. Dies sei ein "schwieriges bis unmögliches Unterfangen", da der Goldpreis sehr stark von unkalkulierbaren Marktstimmungen beeinflusst werde. (fp)