Das traditionelle internationale Zentralbanker-Symposium in Jackson Hole stand dieses Jahr unter besonderem Interesse: Notenbankexperten und Investoren warteten gespannt, ob Fed-Chef Jerome Powell nach dem Rückgang der US-Inflation in den vergangenen Monaten ein Ende der Zinserhöhungen in Aussicht stellen würde. Doch Powell sieht den Kampf gegen die Inflation noch nicht als beendet an.

Seit Beginn des aktuellen Zinserhöhungszyklus 2022 hat die US-Notenbank die Leitzinsen im Kampf gegen die Inflation um bislang insgesamt 5,25 Prozentpunkte auf die Spanne von zuletzt 5,25 bis 5,50 Prozent erhöht. Zugleich ist die Inflationsrate in den vergangenen Monaten kräftig zurückgegangen und lag im Juli bei 3,2 Prozent, auf dem Höchststand vor einem Jahr hatte sie noch 9,1 Prozent erreicht. Allerdings liegt die für die US-Notenbank besonders wichtige Kerninflation noch deutlich höher, und der US-Arbeitsmarkt sowie der Konsum zeigen sich weiter stabil, was den Preisauftrieb unterstützt. 

Statt ein Ende der Zinserhöhungen in Aussicht zu stellen, betonte Powell in seiner Rede weiterhin vor allem die Risiken der Inflation. Experten interpretieren seine Aussagen in die Richtung, dass sich die Fed angesichts der großen Unsicherheit alle Optionen offen hält und in den kommenden Monaten nach Marktlage entscheiden wolle. Jack McIntyre, Portfoliomanager bei Brandywine Global, Teil von Franklin Templeton, kommentiert: "Die Rede lässt der Fed die nötige Wahlfreiheit, entweder die Zinsen weiter zu straffen oder sie beizubehalten." Powell habe betont, dass die Aufgabe der Fed noch nicht abgeschlossen sei, und deutlich gemacht, dass das Inflationsziel bei zwei Prozent liege.

Anleger müssen weiter warten
Michael Michaelides, Fixed-Income-Analyst von Carmignac, sagt: "Powell gab keineswegs Entwarnung in Bezug auf die Inflation, sondern stellte stattdessen in Aussicht, dass weitere Anhebungen erforderlich sein könnten, wenn das Wachstum weiterhin über dem Trend liegt oder der jüngste Disinflationstrend zum Stillstand kommt." Wie viele Experten geht auch Michaelides zwar von einer Zinspause im September aus, "aber die Aussicht auf eine Zinserhöhung im November bleibt in der Schwebe". Sein Urteil: "Die Anleger, die sich auf die Nachricht über einen eventuellen Politikwechsel freuen, werden wohl noch länger warten müssen."

Vage blieb auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde für die europäische Geldpolitik: Sie betonte unter anderem die zunehmende Bedeutung von Angebotsschocks gegenüber den in der Vergangenheit häufigeren Nachfrageschocks und die Rolle des Erwartungsmanagements der EZB, um die langfristigen Inflationserwartungen unter Kontrolle zu halten. Tomasz Wieladek, Volkswirt bei T. Rowe Price, rechnet damit, dass die EZB im September vom aktuellen Niveau bei 4,25 Prozent aus erneut die Zinsen anheben könnte.

Ausblick: Kommende Konjunkturdaten könnten Richtung weisen 
Thomas Altmann von QC Partners sagt: "Jerome Powell und Christine Lagarde sind beide bewusst vage geblieben. Damit bleibt der zukünftige Pfad der Geldpolitik offen." Auf neue und wahrscheinlich konkretere Hinweise müssen die Börsianer wohl nicht lange warten. Mitte der Woche wird die vorläufige deutsche Inflationsrate für den August veröffentlicht. Und am Freitag folgt der US-Arbeitsmarktbericht. Beide Zahlen dürften in den kommenden Entscheidungen der Notenbanken eine gewichtige Rolle spielen. (jh)