An der Wall Street lässt sich derzeit ein Phänomen beobachten, dass bei Börsenkennern böse Erinnerungen an die Zeit kurz vor dem Dotcom-Crash zur Jahrtausendwende weckt. Das US-Börsenbarometer S&P-500 hat sich so schnell von der Corona-bedingten Talfahrt erholt wie noch nie zuvor von einem Bärenmarkt. Binnen fünf Monaten hat der Index mehr als 50 Prozent zugelegt und am vergangenen Dienstag (18. August) das Februar-Hoch von 3.386,15 Zählern übertroffen, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Den Schwung verdankt der Markt überwiegend Kleinanlegern, die durch die Rally an die Börse gelockt werden.
 
"Jeder erinnert sich noch an 1999 und die Day-Trader, an Leute, die ihren Job kündigen, um in Aktien zu handeln", sagt Marktstratege Ryan Detrick vom Broker-Dealer LPL Financial. "Im Moment sind die Kleinanleger eindeutig ein Faktor. Es gibt so viel Optimismus, so viel Begeisterung." Auf die Hausse folgte damals der Crash. Heute liegt die mittlere Bewertung im S&P-500 beim 26-fachen der erwarteten Unternehmensgewinne und ist damit so hoch wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Bedenklich stimmt laut Bloomberg auch der Zustrom von Kleinanleger-Geldern in die Aktien unrentabler Unternehmen.
 
Die Rally hält an
Nachdem der S&P 500 fast 13 Billionen US-Dollar an Marktwert wiedergewonnen und den Corona-bedingten Bärenmarkt hinter sich gelassen hat, notiert er nun zwölf Prozent über dem gleitenden 100-Tage-Durchschnitt. So stark ist er dem technischen Indikator in den vergangenen zwölf Marktzyklen nur zweimal davon geeilt: 1991 und 1982.

Zu den Lieblingstiteln der Kleinleger gehören die Aktien von Elektroauto-Hersteller Tesla, dem Biotechnologieunternehmen Moderna und dem Chiphersteller Nvidia, ebenso wie Titel des Brennstoffzellen-Spezialisten Plug Power und des Casinobetreibers Penn National Gaming. Laut Gary Bradshaw vom Anlageberater Hodges Capital Management ist das Ende der Rally noch nicht in Sicht: "Es gibt einfach nicht viele Alternativen. Und da noch viel Geld an der Seitenlinie geparkt ist, denke ich, der Markt wird noch weiter anziehen." (fp)