Die Marktkapitalisierung französischer Aktien ist vergangene Woche um rund 241 Milliarden Euro gesunken. Der Risikoaufschlag, den Anleger bei französischen Staatsanleihen gegenüber Papieren Deutschlands fordern, ist indessen stark angestiegen. "Preisstabilität und Finanzstabilität gehen Hand in Hand", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Montag (17.6.) vor Reportern beim Besuch einer Forschungseinrichtung für Quantencomputer in Massy, südwestlich von Paris. "Wir achten auf das gute Funktionieren der Finanzmärkte, und ich denke, dass wir heute auf jeden Fall weiterhin aufmerksam sind, aber darauf beschränkt es sich", so die EZB-Chefin.

Die französischen Märkte zeigten zu Beginn der Woche Anzeichen der Stabilisierung. Die Parteichefin des rechten Rassemblement National, Marine Le Pen, hat zugesagt, mit Präsident Emmanuel Macron zusammenzuarbeiten, falls sie die bevorstehenden Parlamentswahlen gewinnen sollte. Der Staatspräsident hatte diese Wahlen nach der Niederlage seiner Partei bei den Wahlen zum Europäischen Parlament angesetzt.

"Es ist nicht die Welt der ungeordneten Marktdynamik"
EZB-Chefökonom Philip Lane zeigte sich bezüglich der Turbulenzen der vergangenen Woche gelassen. "Was wir auf den Märkten beobachten, ist natürlich eine Neubewertung", sagte Lane am Montag bei einer Veranstaltung von "Reuters" in London. "Es ist nicht die Welt der ungeordneten Marktdynamik." Diese Äußerungen decken sich mit einem Bericht von "Bloomberg" aus der vergangenen Woche, wonach die Währungshüter der EZB in den jüngsten Marktturbulenzen keinen Grund zur Sorge sehen.

In einem allgemeineren Kommentar erläuterte Lane die Hintergründe des Kriseninstruments der Zentralbank, des Transmission Protection Instrument (TPI). "Es ist sehr wichtig, dass die EZB deutlich macht, dass wir keine ungerechtfertigte und ungeordnete Marktdynamik dulden, die eine ernsthafte Bedrohung für die Übertragung der Geldpolitik darstellen würde", sagte er. "Wir können nicht zulassen, dass Marktpanik, Marktilliquidität und Marktstimmung unsere Geldpolitik stören."

In Bezug auf Inflation und Zinsen bekräftigte Lane die Zuversicht der EZB, das Wachstum der Verbraucherpreise in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 wieder auf das Zwei-Prozent-Ziel zu bringen, und dass die Währungshüter sich nicht auf einen bestimmten Pfad festlegen wollen. Anfang Juni senkte die EZB nach einer beispiellosen Serie von Straffungen zum ersten Mal die Zinsen, gab aber keine klaren Hinweise auf die weitere Richtung der Geldpolitik.

Steigende Erwartung an dritte Zinssenkung bis Jahresende
Lane sagte, dass jede Sitzung "live" sei. Er deutete aber an, dass eine weitere Zinssenkung bereits im Juli eher unwahrscheinlich sei und dass die nächste große Diskussion nach der Sommerpause auf der Septembersitzung stattfinden könnte. Er hob die "Dynamik" der Dienstleistungsinflation hervor und sagte, dass die EZB "mehr als einen Monat Daten" benötige, um den Trend zu beurteilen. Im Mai hatte sich das Preiswachstum in diesem Sektor überraschend auf 4,1 Prozent beschleunigt.

An den Geldmärkten wird darauf gewettet, dass die EZB im Oktober eine weitere Zinssenkung um einen Viertelpunkt vornehmen wird. Die Wahrscheinlichkeit einer dritten Zinssenkung bis zum Jahresende ist von 25 Prozent in der Vorwoche auf 75 Prozent gestiegen. (mb/Bloomberg)