Die monatliche Umfrage der Bank of America (BofA) unter Portfoliomanagern weltweit "schreit nach Kapitulation auf Makroebene, Kapitulation der Investoren und dem Beginn der Kapitulation der Politik", schreiben die Strategen um Michael Hartnett in einer Analyse. Sie gehen davon aus, dass die Aktienmärkte in der ersten Hälfte des Jahres 2023 ihren Tiefpunkt erreichen werden, nachdem die US-Notenbank Federal Reserve letztlich von weiteren Zinserhöhungen Abstand nimmt.

"Die Liquidität am Markt hat sich deutlich verschlechtert", konstatieren die Anlagestrategen. Sie verweisen darauf, dass die befragten Fondsmanager inzwischen 6,3 Prozent ihrer Portfolios in bar halten. Einen so hohen Wert gab es seit April 2001 nicht. Mittlerweile geben 49 Prozent der Umfrageteilnehmer an, Aktien unterzugewichten.

"Bärenumarmung"
Die Zahl der Befragten, die auf Sicht von zwölf Monaten einen Konjunkturabschwung erwarten, liegt nahe einem Rekordwert. 79 Prozent der Portfoliomanager sehen in diesem Zeitraum einen Rückgang der Inflation. BofA führte die Umfrage vom 7. bis 13. Oktober unter 326 Fondsmanagern mit einem verwalteten Vermögen von insgesamt 971 Milliarden US-Dollar durch. "Während der Aktienmarkt bis letzten Monat gegen die düstere Stimmung immun war, spiegelt er jetzt den Pessimismus der Anleger stärker wider", schreibt BofA-Stratege Hartnett.

Während die Berichtssaison an Fahrt gewinnt, erwarten 83 Prozent der Anleger auf Sicht der nächsten zwölf Monate eine globale Verschlechterung der Unternehmensgewinne. 91 Prozent der Befragten trauen den Profiten keinen Anstieg um zehn Prozent oder mehr zu. Eine so große Mehrheit der Skeptiker gab es seit der globalen Finanzkrise nicht mehr. Dies legt der Bank zufolge nahe, dass die Gewinnschätzungen für die Unternehmen im S&P 500 weiter nach unten korrigiert werden dürften.

Die Weltbörsen haben sich in den letzten Tagen erholt – dank der Unterstützung durch die Charttechnik, die Kehrtwende in der britischen Steuerpolitik und den Fokus auf die Berichtssaison. Hartnett und sein Team bezeichnen die Rally nach den US-Inflationsdaten der letzten Woche als "Bärenumarmung".

Weitere Ergebnisse der Umfrage:

  • In absoluten Zahlen sind die Anleger am optimistischsten in Bezug auf Bargeld, den Gesundheitssektor und die Bereiche Energie und Grundnahrungsmittel. Der größte Pessimismus herrscht bezüglich Aktien, speziell mit Blick auf Großbritannien und die Eurozone, sowie hinsichtlich Anleihen.
  • Am populärsten sind Long-Positionen in Dollar, Short-Positionen auf europäische Aktien, Long-Positionen in ESG-Anlagen, Long-Positionen in Öl, Short-Positionen auf Schuldtitel und Aktien aus Schwellenländern beziehungsweise China sowie Short-Positionen auf Schuldtitel und Aktien aus Großbritannien.
  • Beispiellose 68 Prozent der Befragten halten den US-Dollar für überbewertet.
  • Die Anleger sehen die europäischen Staatsanleihenmärkte als wahrscheinlichste Quelle eines "systemischen Kreditereignisses".
  • Die Anleger konstatieren steigende Chancen für einen geldpolitischen Schwenk in den nächsten zwölf Monaten. 28 Prozent der Umfrageteilnehmer rechnen auf diese Sicht mit niedrigeren kurzfristigen Zinsen. (mb/Bloomberg)