Erstmals seit es grüne Anleihen gibt, ist deren Emissionsvolumen im Jahresvergleich gesunken. Der Climate Bonds Initiative zufolge ging es von 596 Milliarden US-Dollar 2021 auf 443 Milliarden Dollar 2022 zurück. Dabei ist zu beachten, dass der gesamte Anleihenmarkt im vorigen Jahr angesichts von Inflation und Zinserhöhungen eingebrochen ist, so Alexis Bienvenu, Fondsmanager Multi Asset bei La Financière de l’Echiquier (LFDE). Viele Banken gingen davon aus, dass das Emissionsvolumen 2023 wieder auf das Niveau von 2021 steige. Die Climate Bonds Initiative rechnet ab 2025 mit einem Emissionsvolumen von 5.000 Milliarden Dollar pro Jahr, wenn sich der Anstieg, der im vergangenen Jahrzehnt verzeichnet wurde, fortsetzt oder angesichts der Regierungspläne in den USA (Inflation Reduction Act), Europa (Green Deal) und China noch verstärkt.

Auch wenn der Rückgang des Emissionsvolumens 2022 nur vorübergehend gewesen sein sollte, könnte laut LFDE ein anderer Trend eingesetzt haben: zunehmendes Misstrauen gegenüber verantwortungsbewussten Investments. Diese Entwicklung sei besonders in den USA zu beobachten. So zog sich Vermögensverwalter Vanguard Ende 2022 aus der Net Zero Asset Managers Initiative zurück. "Für grüne Initiativen stellt dies einen Dämpfer dar", so Bienvenu. Angesichts der Bestrebungen hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft sei es allerdings schwer vorstellbar, dass sich diese Entwicklung deutlich negativ auf grüne Finanzprodukte auswirke.

Greenwashing als Hauptrisiko
Grüne und nachhaltige Anleihen würden jedoch durch einen weiteren Umstand belastet. "Das Hauptrisiko ist, dass irreführende Aussagen über den ökologischen Wert von Projekten, das heißt Greenwashing, das Vertrauen der Anleger untergraben", schreibt der Fondsmanager. So gehe die Climate Bonds Initiative davon aus, dass nur 20 Prozent der grünen Anleihen die Voraussetzungen für eine Zertifizierung erfüllten. Damit sich der grüne Markt weiterentwickeln könne, müssten es mindestens 80 Prozent sein.

"Wenn grüne Anleihen zum Standard in Portfolios werden sollen, reicht die Angabe, man investiere in grüne Projekte, nicht aus – Emittenten müssen entsprechend handeln und es auch belegen. Nur unter dieser Voraussetzung können grüne Anleihen mehr als eine Illusion sein. Bis dahin ist es die Aufgabe des Anlegers, den tatsächlichen ökologischen Wert der jeweiligen grünen Anleihe gründlich zu analysieren", so Bienvenu. (fp)