"Die Schönheit der Kirschblüte ist atemberaubend. Man konnte sie auch in diesem Frühjahr wieder bewundern. Aber ihre kurze Blütezeit erinnert uns daran, wie flüchtig die schönen Momente sind", schreibt Hans Peter Schupp, Vorstand des Vermögensverwalters Fidecum und Manager des Contrarian Value Euroland, in einem aktuellen Marktkommentar.

In den vergangenen Monaten kannten die Kurse an den Aktienmärkten lange nur eine Richtung: Sie stiegen. Und dies trotz Kriegen, getrübter wirtschaftlicher Aussichten und stagnierender Unternehmensgewinne seit mehr als einem Jahrzehnt, wie Schupp sagt. Von daher stellt sich für ihn die Frage, ob diese Hausse wie eine Kirschblüte ist – schön, aber kurzlebig –, oder ob es neben einer möglichen Leitzinssenkung weitere Gründe gibt, die nachhaltig für Aktien sprechen?

Erste Risse hat die Hausse bereits bekommen. Denn anders als von vielen Marktteilnehmern erwartet, stellt die Bekämpfung der Inflation vor allem in den USA die Notenbank Fed vor größere Probleme. Die erste Leitzinssenkung wird, anders als in Euroland, wohl noch eine Weile auf sich warten lassen. Das hat die Kurse an der Wall Street zuletzt bröckeln lassen.

Verschuldungsgrad ist stark gesunken
Gibt es andere Gründe, die für weiter steigende Kurse sprechen? "Ja! Denn obwohl die Unternehmensgewinne real seit mehr als 15 Jahren stagnieren, kann man feststellen, dass sich die Bilanzqualität der Unternehmen stark verbessert hat, denn der Verschuldungsgrad ist entschieden gesunken", meint der Fidecum-Portfoliomanager.

Für die starken Gewinnanstiege von Mitte der 1990er Jahre bis 2008 mussten Erweiterungsinvestitionen finanziert werden, wie Schupp erläutert. Die Unternehmen erhöhten massiv die Verschuldung. Mit der Finanzkrise 2008 änderten sich die Ertragsaussichten und viele Gesellschaften kamen aufgrund ihrer hohen Schulden einer Insolvenz nahe. Eine solche Situation sollte nie wieder entstehen. "Und die Unternehmen haben Wort gehalten", meint Schupp: "Gewinne wurden seitdem kaum mehr für Erweiterungsinvestitionen oder für den Aktionär verwendet, sondern zur Schuldentilgung genutzt."

Solide Bilanzen kommen den Aktionären zugute
Die Berichtssaison für das Jahr 2023 habe deshalb auch nicht durch die Unternehmensgewinne überrascht, sondern durch die Dividendenankündigungen. Aufgrund der Solidität der Bilanzen seien diese auch im Nachhinein nachvollziehbar. Dies bedeute: "Nach 15 Jahren Schuldentilgung können Unternehmen nunmehr Gewinne für Erweiterungsinvestitionen oder für den Aktionär verwenden."

"Das heißt selbstverständlich nicht, dass der positive Trend an den Aktienmärkten ohne Rückschläge so weitergeht", schreibt Schupp. "Das sieht man ja an den jüngsten Kursrückgängen. Aber es gibt durchaus gute Gründe für Aktien. Und die gestiegenen Kurse müssen keine Kirschblüten sein." (mb)