Bei ihrer Sitzung am gestrigen Donnerstag hat der EZB-Rat keinerlei weitere Lockerungsmaßnahmen beschlossen. Und dennoch reichten schon ein paar Aussagen von Mario Draghi zur EZB-Bilanz, um zwischenzeitlich für ein Kursfeuerwerk am Aktienmarkt zu sorgen und den DAX binnen Minuten um rund 150 Punkte steigen zu lassen. Langfristig rechnet Börsenanalyst Jens Klatt von FXCM mit einer relativen Schwäche gegenüber den US-Börsen: "Die Chancen für einen nachhaltigen Anstieg des DAX über die Marke von 10.000 Punkten in den kommenden Monaten sind daher als sehr gering einzuschätzen."

Einstimmigkeit ist ein wichtiges Signal
Die EZB habe ihr Statement zwar nur geringfügig geändert, dafür aber in möglicherweise entscheidenden Punkten, kommentierte Martin Harvey, Anleihenmanager bei Threadneedle. Denn die Zentralbank habe sich halbwegs deutlich dazu bekannt, ihre Bilanz innerhalb der kommenden zwei Jahre um eine Billion Euro verlängern zu wollen – und zwar mit allen notwendigen Mitteln. Ein mögliches Programm zum Ankauf von Staatsanleihen liege unterdessen nach wie vor – zumindest in den Augen einiger Mitglieder – in weiter Ferne. "Dennoch sollte die heutige Pressekonferenz Investoren dahingehend versichert haben, dass der Rat zumindest in seinen Zielen einer Meinung ist", sagte Harvey am Donnerstag. Ihm zufolge sollte dies Anleihen aus den Peripheriestaaten, die nach wie vor sensibel auf Spekulationen um Quantitative-Easing-Maßnahmen reagieren, unterstützen. 

Der Ton der EZB sei in der gestrigen Sitzung entgegenkommender gewesen als zuvor, sagt Sandra Holdsworth, Fixed Income Manager beim Fondsanbieter Kames Capital. Zum einen habe die EZB den Schwerpunkt stärker auf ihre eigene Bilanz gelegt. Die unkonventionellen Maßnahmen wie etwa der Ankauf von ABS-Papieren könnten diese signifikant verbessern, auf der anderen Seite aber den Wert des Euro gegenüber ausländischen Währungen schwächen, meint Holdsworth. Zum anderen habe die EZB weitere Maßnahmen nicht ausgeschlossen – dies hätten die Anleihemärkte dahingehend interpretiert, dass die EZB den Kauf von Unternehmens- und Staatsanleihen durchaus in Betracht ziehe, sofern es notwendig sei.

Politischer Straßenkämpfer und Geldpolitiker
"Wir sind einem umfassenden staatlichen Ankauf von Kreditverbriefungen wieder einen Schritt näher", merkte auch Luke Bartholomew an, Investmentmanager bei Aberdeen. Die EZB habe zum ersten Mal im Rahmen ihrer Sitzung ein Bilanzziel verkündet – das signalisiere, dass EZB-Chef Draghi ein "weiteres Gefecht im kampf um staatliche Wertpapierankaufprogramme gewonnen" habe. Er müsse nur noch den Bundestag davon überzeugen. "Die heutige Mitteilung macht es wahrscheinlicher, dass die EZB im Dezember weitere Maßnahmen präsentieren wird, um Inflation und Nachfrage anzukurbeln", so Bartholomew, für den es beunruhigend ist, wie viel Zeit Draghi für Politik aufwenden muss. "Man würde sich wirklich wünschen, dass die Zentralbank von Technokraten geführt wird, die sich ausschließlich auf die gesamtwirtschaftlichen Ziele der Geldpolitik konzentrieren." (dw)