Der seit vielen Jahren anhaltende Höhenflug von Wachstumsbranchen wie Technologie und Biotechnologie lässt in letzter Zeit immer mehr Zweifel daran aufkommen, ob das gute alte Value-Konzept im Fondsmanagement noch eine Berechtigung hat. Wer auf der Suche nach "günstig" bewerteten Substanztiteln ist, wird in den Branchen IT und Biotech in aller Regel nicht fündig. Hier hat man es häufig mit Unternehmen zu tun, die kaum Gewinne erzielen, keine Dividende ausschütten, dafür aber im Erfolgsfall märchenhafte Kursgewinne liefern. Wenn dann noch bekannt wird, dass jemand wie Warren Buffett groß bei Apple einsteigt, könnten auch hartgesottene Value-Anleger ins Grübeln geraten.

Aktuell sprechen die historischen Ergebnisse traditioneller Value- beziehungsweise Growth-Branchen eine klare Sprache: Während die Zehn-Jahres-Performance der Branchen "Technologie" und "Gesundheit/Pharma" bei mehr als 185 Prozent liegt, verdiente man im selben Zeitraum mit der Value-Sparte "Versorger" 2,04 Prozent, mit "Infrastruktur" 36 Prozent und mit "Telekommunikation/Medien" rund 81 Prozent.

Technologie und Gesundheit waren übrigens noch im Vormonat die Schlusslichter des Fondsbarometers. Anfang Mai berichteten wir im Fondsbarometer: "...bisher erwiesen sich aber alle Absturz-Prognosen für die FAANG-Aktien als verfrüht. Und auch die jüngsten Ergebnisdaten dieser Unternehmen deuten nicht auf ein baldiges Ende ihres Höhenflugs hin."

Turnaround bei Value?
Aber welchen Schluss soll man daraus ziehen? Aus Value auszusteigen und auf den Wachstumszug aufspringen, wäre eine Jagd nach historischer Performance, und die gilt zurecht als klassischer Investmentfehler. Wer das Wachstums-Jahrzehnt verpasst hat, dürfte angesichts der Stimmung der Jahre 2008 und 2009 vermutlich kein Einzelfall sein. Daran lässt sich nun aber nichts mehr ändern.

Auch in den späten 90er Jahren wurde das Value-Konzept angesichts des Höhenflugs der Technologieunternehmen vielfach totgesagt. Ab dem Jahr 2000 kam es dann zu einer mehrjährigen Renaissance des Value-Investments. Value-Aktien halten sich erfahrungsgemäß in schwierigen Konjunkturphasen besser als Wachstumstitel. Spätestens, wenn sich die nächste Rezession ankündigt, könnte sich das Blatt daher wenden.

Die einzig sinnvolle Schlussfolgerung lautet daher: in jeder Marktphase möglichst breit diversifiziert anlegen. Nur, wer das Markt-Timing im Griff hat, kann auf Streuung verzichten.

Russland & Co.
Bei großen Emerging Markets wie Russland, Indien, China und Brasilien (BRIC) fällt auf, dass sie in unseren Monatsstatistiken häufig entweder sehr weit oben oder sehr weit unten auftauchen. Den Mai beendeten China und Russland unter den Top 10, während Fonds, die in Indien (42 Fonds) und Brasilien (7 Fonds) anlegen, zu den zehn schwächsten Länderfonds zählten, wobei der Monatsverlust in Brasilien mit fast 14 Prozent extrem hoch ausfiel. Sieht man sich die aktuellen Einschätzungen für das Wirtschaftswachstum des Landes an, wird diese Anlegerflucht verständlich. Bis vor kurzem wurden noch 2,5 bis drei Prozent BIP-Plus für 2018 erwartet. Nach den landesweiten Streiks der LKW-Fahrer senkten nun manche Beobachter diesen Wert auf zwei Prozent – für ein Investment in ein riskantes Schwellenland ist das vielen Investoren scheinbar zu wenig.

Ob die mit dem Land verbundenen Risiken in Russland besser vergütet werden, ist schwer einzuschätzen. Der steigende Ölpreis sorgte aber bei den in dieser Statistik erfassten 23 Fonds, die schwerpunktmäßig in Russland investieren, für einen durchschnittlichen Monatsgewinn von mehr als 4,7 Prozent. Und dieser Aufwärtstrend ist auch nicht neu: Blickt man drei Jahre zurück, hat man mit Russland-Fonds mehr verdient als mit Produkten, die deutsche Standardaktien kaufen. Dies liegt daran, dass russische Aktien seit Anfang 2016 den Dax hinter sich lassen. Daher gilt für Regionen dasselbe wie für Branchen: möglichst stets in alle investieren. (gf)


Über das FONDS-professionell Fondsbarometer
FONDS professionell bringt seit Juli 2014 monatlich das FONDS professionell Fondsbarometer – eine Performanceübersicht der FIAP-Aktienfonds-Indizes gereiht nach ihrer Monatsperformance. Daraus wird ersichtlich, welche Fonds gerade "Rückenwind" haben und welche unter Kursverlusten leiden. Damit daraus eine brauchbare Information wird, zeigt die Darstellung auch, wie diese Fondskategorien (Länder, Regionen, Branchen und Themen) über andere Zeiträume abgeschnitten haben – 1 Monat, 3 Monate, 6 Monate, 1 Jahr, 3 Jahre sowie über 5 und 10 Jahre. Die jeweils zehn stärksten und zehn schwächsten Ergebnisse sind farblich hervorgehoben.
Das nächste Fondsbarometer erscheint Anfang Juli.