Wenn das neue Wertpapierfirmengesetz (WPFG) kommt, erhalten Österreichs Wertpapierfirmen (WPF) deutlich erweiterte Tätigkeitsmöglichkeiten. Unter anderem dürfen sie erstmals auch Gelder entgegennehmen. Helmut Ettl, Vorstand der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) bezeichnete den Schritt in einem Interview, das in voller Länge in der neuen Heftausgabe von FONDS professionell erscheint, als "großen Bruch". Für Unternehmen, die tatsächlich eine Tätigkeitsausweitung beantragen, bedeute das dementsprechende Mehrkosten, so Ettl. Eine genaue Zahl nannte er nicht.

Wer bei den bisherigen Kompetenzen bleibt, muss mit dem neuen Rahmen zumindest mit geringfügig höheren Kosten rechnen. Die Änderungen für diese "Klasse 3", in der sich die meisten Unternehmen befinden, seien jedoch nicht "dramatisch". Laut Ettl habe sich die europäische Bankenaufsicht EBA mit dem Anliegen durchgesetzt, dass der Aufwand für WPF ohne Kundengelder "überschaubar bleibt". Ettl ist in der EBA Vorsitzender im Advisory Committee on Proportionality.

Gesetz ohne Anwendungsfälle
Die FMA war von Beginn weg nicht erfreut über die Gesetzesänderung, die auf die Umsetzung der EU-Regulierung IFR/IFD (Investment Firm Regulation/Directive) zurückgeht. Eduard Müller, gemeinsam FMA-Vorstand mit Ettl, erklärte, dass es weniger um Befürchtungen der Behörde gehe. Ein Bedenken sei, dass man ein Gesetz vorhalten müsse, das vom Markt schlicht nicht nachgefragt werde. "Die Frage wäre eher gewesen, ob für die ganz großen Wertpapierfirmen, die es in Österreich nicht gibt, eine Bankkonzession die alternative Lösung wäre", so Müller. Bisher habe noch kein WPF bei der FMA Interesse an einer Kompetenzausweitung angemeldet.

Lob gab es seitens der FMA-Vorstände für die Vermittler. Seit 2018 darf die Behörde auch die unter dem Haftungsdach befindlichen Wertpapiervermittler (WPV) oder vertraglich gebundenen Vermittler (vgV) direkt prüfen. "Seit wir das machen dürfen, hatten wir 85 Prüfungen, 15 im Jahr 2021 und heuer bisher zehn. Es gab keine großen Auffälligkeiten, sondern eher kleinere Dinge", so Müller. Die  Haftungsdächer hätten ihr Verantwortungsbewusstsein geschärft ergänzte Ettl.

Koordinierte Prüfung mit Bezirksbehörden
Im Interview sprachen beide Vorstände auch über die Vernetzung der Finanzbehörden, dort, wo die Zuständigkeiten geteilt sind. Das betrifft etwa den Versicherungsvertrieb: während die FMA die Versicherungen direkt prüft (und damit auch deren Direktvertrieb) sind für den gewerbliche Vertrieb die lokalen Gewerbebehörden zuständig. Ende 2021 wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Wirtschaftsministerium, Bezirksbehörden und FMA gerichtet "wo man sich abstimmt, austauscht und wo die Bezirksverwaltungsbehörden nach einheitlicheren Standards prüfen", so Ettl. Erste koordinierte Prüfungen hätten bereits stattgefunden. Die Ergebnisse würden momentan ausgewertet und sollen im Herbst bei einer Koordinationssitzung besprochen werden. Laut Müller wurden insbesondere die Produktempfehlungen und die Eignungsprüfung unter die Lupe genommen.

Indes wünschen sich die beiden Behörden-Vorstände keine neuen Befugnisse was die Aufsicht von Unternehmen betrifft (siehe etwa Kompetenzausweitung der Bafin nach dem Wirecard Skandal). "Eine Vollkaskoversicherung für Anleger gibt es nicht. Ein Anleger kann mit seinem Geld machen, was er will", betonte Müller. Ettl ergänzte, angesprochen auf Pleitefälle wie CPI oder GoLending: "Jeder, der hier am Kapitalmarkt investiert, muss sich mit den Risiken vertraut machen." (eml)


Das Interview erscheint in voller Länge in der FONDS-professionell-Heftausgabe 3/2022 oder nach Anmeldung im E-Magazin.