Der Klimawandel kommt die Wirtschaft aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren teuer zu stehen. Die Kosten der schleichenden Erderwärmung dürften das globale Konjunkturwachstum schwächen und die Inflation in die Höhe treiben, prognostiziert Vermögensverwalter Bert Flossbach. Mit dieser Vorhersage steht er nicht allein da. Sollte sich der Planet ungebremst weiter erhitzen, erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) für das Jahr 2030 eine Einbuße von 0,8 Prozent beim weltweiten realen Pro-Kopf-Einkommen.

Finanzdienstleister, Banken und Notenbanken sollen nach dem Willen von Politikern dabei maßgeblich helfen, dieses Szenario zu verhindern und dazu die globalen Kapitalströme in eine umweltbewusste und sozialverantwortliche Richtung steuern. Damit lenken die Verantwortlichen in der Politik allerdings vor allem von ihrer eigenen Untätigkeit ab, kritisiert Flossbach. "Da in der Politik die Angst vor dem Mandatsverlust oft größer ist als vor dem Klimawandel, versucht man, den 'Schwarzen Peter' weiterzureichen", sagt er. "Deshalb wurde die Finanzbranche dazu auserkoren, das Klima zu retten."

Die Angst des Politikers vorm Wähler-Zorn
Eine erfolgreiche Klimapolitik ist ohne ausreichende CO2-Bepreisung nicht möglich, betont der Vermögensverwalter. Er hält den von der deutschen Bundesregierung festgelegten Preis für zu starr und zu niedrig, um wirksam zu sein. "Deutlich höhere Preise bergen aber die Gefahr, dass die Wähler auf die Barrikaden steigen", sagt er. Stattdessen soll es nun die Finanzbranche richten: Über neue EU-Regeln zum nachhaltigen Investieren.

Laut dieses als "Taxonomie" bezeichneten Klassifikationssystems gilt eine Investition als nachhaltig, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem von sechs Umweltzielen leistet, ohne dabei gegen ein anderes Ziel zu verstoßen. Flossbach hält das für schwierig, nicht nur, weil der Nachhaltigkeitsbegriff nach wie vor nicht einheitlich definiert ist. "Für ESG-Berater, Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer, Marketingexperten und Juristen bietet die Taxonomie neue Geschäftspotenziale", urteilt er. Auf Finanzberater kommen dagegen enorme Herausforderungen zu. 

Taxonomie stürzt Berater ins Dilemma
"Berücksichtigen Finanzberater Nachhaltigkeitsfaktoren, sollen sie nicht nur die Art und Weise darlegen, wie dies erfolgt, sondern auch die zu erwartenden Auswirkungen auf die zukünftige Rendite erläutern, was praktisch unmöglich ist", kritisiert der Vermögensprofi. Für nachhaltigkeitsbewegte Kunden sollen Vermittler in Zukunft möglichst keine Titel von Unternehmen mehr kaufen, bei denen ESG-Risiken für die Vermögens- oder Ertragslage drohen. "Das würde aber dazu führen, dass Aktien oder Anleihen europäischer Banken angesichts immer wiederkehrender Schadensersatzklagen grundsätzlich ausgeschlossen sind, und damit auch Institutionen treffen, die ihrerseits mit ESG-Produkten Anlegergelder einsammeln", gibt Flossbach zu bedenken. (fp)