Flossbach: Drohen fünf weitere zinslose Jahre?
Trotz der anziehenden Inflation wird es auf absehbare Zeit keine Zinserhöhungen geben. Sparer sollten sich nach Alternativen umsehen, rät Wilhelm Wildschütz vom Asset Manager Flossbach von Storch.
Die Zinsskepsis unter Profi-Anlegern verfestigt sich. Ein Blick auf die Drei-Monats-Euribor-Futures, welche die Zinserwartungen am (Euro-)Geldmarkt abbilden, verrät: Die Erwartungen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins in den nächsten fünf Jahren wieder in den positiven Bereich führen könnte, sind mittlerweile vollständig verflogen. Das erklärt Wilhelm Wildschütz, Fondsmanager bei Flossbach von Storch, in einem aktuellen Marktkommentar. "Natürlich sind solche Einschätzungen nur temporär und mit Vorsicht zu genießen", sagt Wildschütz. "Andererseits bilden sie die Erwartungen der Marktteilnehmer sehr plastisch ab."
Eine Ursache dafür dürfte nach Ansicht des Experten die jüngste EZB-Ratssitzung sein. Dort wurde beschlossen, dass die Zinsen weiterhin niedrig bleiben sollen, vorausgesetzt, die Inflation steigt nicht "bald und nachhaltig an". Wildschütz übersetzt: "Damit die Zinsen steigen, muss die Inflation in gut einem Jahr deutlich angestiegen sein – und der EZB-Rat muss diesen Anstieg zusätzlich als so nachhaltig beurteilen, dass die Inflation auch bei Zinsschritten bis einschließlich 2023 nicht unter zwei Prozent fällt, sondern sich dort normalisiert." Nur dann wäre eine Zinsdiskussion überhaupt vorstellbar.
"Selbstverordnete Flexibilität"
Wildschütz kritisiert diese neue Geldpolitik und ruft die Periode vor der Coronakrise in Erinnerung, als die Inflation lange Zeit unter der Zielmarke von zwei Prozent verharrte. Das war für die Notenbanker scheinbar ebenso kein Problem, wie der Umstand, dass sie nun über das Ziel hinausschießt. "Wenn die Notenbank ihre Ziele nicht erreichen kann, dann wird nicht kritisch überprüft, ob diese Ziele überhaupt realistisch sind", sagt Wildschütz. "Es werden stattdessen die Mittel verschärft und der Rahmen ausgeweitet, in dem sich die Geldpolitik bewegen kann." Schlechte Nachrichten also für Sparer, die auf klassische Zinskonten setzen. Daher rät Wildschütz dazu, sich nach Alternativen umzusehen: "Zumindest, wenn sie die Kaufkraft ihrer Ersparnisse langfristig erhalten möchten." (fp)
