Bis die Amtszeit von Mario Draghi, dem derzeitigen Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) endet, dürfte die Abhängigkeit von Privatanlegern, Unternehmen und Staaten vom "süßen Gift des billigen Geldes" noch weiter zunehmen. Davor warnt Bert Flossbach, Gründer und Vorstand von Flossbach von Storch, im jüngsten Quartalsausblick des Kölner Vermögensverwalters. Das dürfte den Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes noch schmerzhafter machen. "Man braucht nicht viel Fantasie, um sich die Auswirkungen stark steigender Zinsen auf fremdfinanzierte Vermögenswerte, verschuldete Unternehmen und damit die gesamte Wirtschaft und das Bankensystem vorstellen zu können", so Flossbach. Draghi wird im Oktober 2019 den Staffelstab an seinen Nachfolger übergeben.

Die EZB gerät dem Manager des Bestseller-Mischfonds FvS Multiple Opportunities zufolge durch ihre ungewollte Machtausweitung in eine prekäre Lage. EZB-Chef Draghi hat versprochen, alles zu tun, um den Euro zu retten. Deshalb müsse er de facto die Nullzinspolitik aufrechterhalten, so Flossbach. Andererseits wäre der Notenbank ein leichter Anstieg der Renditen langlaufender Anleihen durchaus willkommen, weil eine steilere Zinsstrukturkurve die Marge der Banken erhöhen und ihre Ertragskraft stärken könnte. Zu sehr dürfen die Zinsen aber auch nicht steigen. "Diesen Balanceakt muss Mario Draghi noch bis zum Ende seiner Amtszeit durchhalten", betont Flossbach.

Licht und Schatten der Niedrigzinsen
Die lockere Geldpolitik der EZB habe sowohl Vor- als auch Nachteile, heißt es im Quartalsbericht: So wären ohne die helfende Hand der EZB nicht nur die Renditen italienischer Staatsanleihen, sondern auch die Kreditzinsen italienischer Unternehmen deutlich höher. Künstlich niedrige Zinsen halten aber auch Unternehmen über Wasser, die eigentlich pleite wären. Das führe zu einer "Zombifizierung" des Bankensystems und der Wirtschaft, warnt Flossbach von Storch. 

Neben der Kapitalerhöhung des Bankhauses Monte dei Paschi wurden in Italien auch mit der Rettung der venezianischen Institute Banca Populare di Vicenza und Veneto Banca die Regeln der Europäischen Bankenunion strapaziert, die seit Anfang 2016 eigentlich eine Haftung der Gläubiger – einen sogenannten "Bail-in" – vorsehen. Inklusive der Garantien beliefen sich die potenziellen Rettungskosten der beiden Regionalbanken für den Staat auf bis zu 17 Milliarden Euro, so Flossbach. (fp)