Die Äußerungen von EZB-Chefin Christine Lagarde sind das bisher deutlichste Signal, dass die Währungshüter mit ihrem Schritt bis Dezember warten wollen. Am Donnerstag (12.9.) hatte die EZB den Einlagensatz zum zweiten Mal seit Juni um einen Viertelprozentpunkt gesenkt.

Die EZB-Ratsmitglieder wollen sich an den Daten orientieren und schließen ein frühzeitiges Handeln im nächsten Monat nicht aus. Es bedürfe jedoch einer deutlichen Verschlechterung der Wachstumsaussichten oder einer starken Lockerung durch die Federal Reserve, um vom vierteljährlichen Tempo der Zinssenkungen abzuweichen, sagen Personen, die mit der Diskussion im Rat vertraut sind.

"Wir haben eine Menge Daten bei den Projektionsrunden, und wir erhalten auch zwischendurch Daten", sagte Lagarde gegenüber Reportern bei einem Treffen der EU-Finanzminister in Budapest. "Wir sehen uns alles an – und wenn es eine signifikante Änderung gegenüber unserer Ausgangsbasis gibt, bewerten wir neu."

"Das Tempo muss sehr pragmatisch sein"
Auch die EZB-Währungshüter, die am Freitag vor Lagarde sprachen, äußerten sich bei der Ankündigung künftiger Schritte zurückhaltend. Der französische Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sagte, die Währungshüter sollten die Zinsen weiterhin "schrittweise" senken. "Das Tempo muss sehr pragmatisch sein", sagte er. "Wir legen uns nicht auf einen bestimmten Zinspfad fest und behalten uns für unsere nächsten Sitzungen alle Optionen vor."

Die Notenbanker, die im Juni erstmals ihre Geldpolitik lockerten, reagieren auf den jüngsten Rückgang der Inflation, der die Rate in Sichtweite ihres Zwei-Prozent-Ziels gebracht hat. Während einige wegen des anhaltenden Preisdrucks im Dienstleistungssektor besorgt sind, befürchten andere, dass die schwächelnde Wirtschaft der Eurozone dazu führen könnte, dass die Inflation wie vor der Corona-Zeit das EZB-Ziel unterschreitet. 

"Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im Oktober ist nicht groß, wenn wir uns die Finanzmärkte ansehen", sagte der Gouverneur der lettischen Zentralbank, Martins Kazaks. "Wenn es die Wirtschaft aber unerwartet schwer trifft und wenn sich die Wirtschaft deutlich schwächer zeigt als derzeit erwartet und auch die Inflation deutlich sinkt, könnten wir natürlich auch eine Zinssenkung in Betracht ziehen." Die Märkte sehen die Wahrscheinlichkeit eines Zinsschritts im nächsten Monat bei nur 25 Prozent.

Inflationsbild "sehr ordentlich"
Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann argumentierte, dass es im Dezember "Spielraum" für eine weitere Viertelpunkt-Senkung geben könnte. Vorher würden der EZB möglicherweise nicht ausreichend Daten zur Verfügung stehen, um über einen Schritt im Oktober zu entscheiden, legte er in einem Interview mit der "Financial Times" dar.

Bundesbankpräsident Joachim Nagel schätzte die Preisentwicklung positiv ein und bezeichnete das Inflationsbild als "sehr ordentlich". "Wir gehen mittlerweile davon aus und die Daten haben sich auch dahingehend verdichtet, dass wir zum Ende des nächsten Jahres bei unserem Inflationsziel von zwei Prozent angekommen sein werden", sagte er dem "Deutschlandfunk". "Die Datenlage ist so, dass dieser Zinsschritt gestern das genau rechtfertigen konnte, wie wir die Daten im EZB-Rat interpretiert haben."

"Es kann noch viel passieren"
Der ehemalige EZB-Chefökonom Peter Praet hält eine Zinssenkung im Dezember für das “beste Szenario” für die Währungshüter in Frankfurt. Aber Faktoren wie eine stärkere Zinssenkung durch die Fed könnten eine Anpassung im Oktober dennoch möglich machen.

"Der Dezember ist noch weit weg, es kann noch viel passieren", sagte er am Freitag gegenüber "Bloomberg TV". "Die EZB hat also versucht, sich alle Optionen offenzuhalten." (mb/Bloomberg)