In den USA wird mal wieder über die Schuldenobergrenze gestritten. Der "Tag X", also der Tag, an dem der Regierung das Geld ausgeht, könne schon am 1. Juni erreicht sein, warnte jüngst Finanzministerin Janet Yellen. Beat Thoma, CIO bei Fisch Asset Management in Zürich, vergleicht das regelmäßig wiederkehrende Gezerre mit einem Ritual, das in der Spieltheorie als "Game of Chicken" bekannt sei. Dabei steuern zwei Autofahrer aufeinander zu und beide hoffen, dass der andere zuerst ausweicht. "Doch falls sie sich verkalkulieren, kommt es zur Katastrophe", so Thoma.

Ein Zahlungsausfall werde zwar immer noch als "Tail Risk" betrachtet, als sehr unwahrscheinlich. Aber die Befürchtungen an den Märkten würden mit dem Näherrücken des Stichtags zunehmen. "Wir gehen davon aus, dass die politische Debatte über die Schuldenobergrenze aufgrund des stark polarisierten politischen Klimas in den Vereinigten Staaten dieses Mal noch umstrittener sein wird als bisher", meint Thoma. Es bleibe unklar, ob eine Partei nachgeben werde und wie weit die Politiker in dieser Frage zu gehen bereit seien – im Wissen, dass die Schätzung des "Tag X" konservativ sein dürfte.

Steigende Nervosität
"Das aus unserer Sicht erwartbarste Ergebnis ist eine kurzfristige Aussetzung oder Erhöhung der Schuldenobergrenze, wenn die Republikaner entscheiden, dass eine Einigung vor dem 1. Juni unwahrscheinlich ist. Eine Überschreitung des 'Tag X', bei der das US-Finanzministerium den Zins- und Tilgungszahlungen für Staatsanleihen Vorrang einräumt, aber andere Zahlungen – etwa die Gehälter von Bundesangestellten – aufschiebt, gilt als fast ausgeschlossen", sagt Thoma. Das Szenario einer tatsächlichen Staatsinsolvenz wäre noch unwahrscheinlicher und würde zu heftigen Marktreaktionen führen sowie relativ sicher eine tiefe Rezession auslösen.

Nach Ansicht von Thoma spiegeln die Finanzmärkte die Risiken der Schuldengrenze derzeit nur begrenzt wider. In der Vergangenheit hätten die Märkte zwei bis vier Wochen vor dem voraussichtlichen "Tag X" begonnen, sich ernsthafte Sorgen über einen Zahlungsausfall wegen des Schuldenlimits zu machen. Kursverluste bei sehr kurz laufenden US-Staatsanleihen deuteten bereits auf eine gewisse Nervosität an der Börse hin.

Folgen für die Asset-Klassen
Thoma hält deshalb einen erheblichen Anstieg der Volatilität an den Aktienmärkten für möglich. Auch der US-Dollar könnte sich weiter abschwächen, was zu verstärkten Investitionen in andere sichere Häfen wie Staatsanleihen und Währungen wie Euro und Yen führen dürfte. Paradoxerweise wäre aber auch eine Flucht in sichere US-Staatsanleihen möglich. Auch der Goldpreis dürfte im Falle einer schweren Schulden- oder Haushaltskrise weiter zulegen. Ähnlich reagierten die Märkte 2011, als erst kurz vor einem Zahlungsausfall eine Einigung zur US-Schuldenobergrenze erzielt wurde. Anleger sollten laut Thoma daher wachsam sein und ihre Portfolios gegen mögliche Marktschwankungen absichern. (fp)