Finanzminister Magnus Brunner hat kürzlich den Pulsschlag bei vielen Marktteilnehmern erhöht, indem er die lang erhoffte (Teil-)Abschaffung der Wertpapier-KESt ansprach. Ein "ganz wichtiger Schwerpunkt für dieses Jahr" sei das. Kapitalmarktexperten stellten am Mittwoch (26. Jänner) in einer vom Finanzjournalistenforum ausgerichteten Diskussion klar, was sie sich erhoffen. Der – früher – unter Finanzminister Gernot Blümel noch öffentlich diskutierten Frage, ob eine Behaltefrist nun ein, drei oder doch zehn Jahre dauern sollte, wurde eine deutliche Absage erteilt. Ebenso eindeutig scheint die Position zur Frage, für wen es eine KESt-Befreiung geben soll: Alles soll ausschließlich langfristig für die Vorsorge gelten. Sprich: Erst bei Auszahlung einer Pension sollte die Steuerbefreiung gelten. 

Bereits das Regierungsprogramm 2020 bis 2024 verspricht, dass eine Behaltefrist erarbeitet werden soll: Hält man ein Wertpapier oder Fondsprodukt über die Frist hinaus, dann soll man beim Verkauf keine Kapitalerstragsteuer (KESt) auf die Gewinne zahlen. Passiert ist bis jetzt nichts. Außerdem sind die im Regierungsprogramm skizzierten Pläne sehr schwammig, wie Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Professorin für Finanz- und Steuerrecht an der Universität Wien, bei der Diskussion monierte. Es sei etwa nicht herauszulesen, ob die Regierung damit meine, eine Abschaffung pauschal auf alle Veräußerungsgewinne einzuführen.

Allgemeine Wiedereinführung "nonsense"
Vor einem derartigen Schritt warnt Kirchmayr-Schliesselberger. Ein solcher sei aus mehrfacher Hinsicht "nonsense". Zum einen aus einer Verteilungs-Perspektive heraus: "Wie wollen Sie dem Lohnsteuerpflichtigen erklären, dass sein Einkommen besteuert wird, jedoch Vermögensgewinne überhaupt nicht", so die Professorin.

Zum anderen müsse man auch gesetzlich einiges beachten. Seit 2015 sei die Endbesteuerung für Veräußerungsgewinne verfassungsrechtlich festgeschrieben. "Dort steht, der Bund muss Veräußerungsgewinne besteuern. Da erwarte ich mir vom Bundesgesetzgeber den entsprechenden Respekt vor der Verfassung", plädiert die Expertin dafür, dass es nicht zu einer generellen Abschaffung der KESt kommt. Insbesondere habe die Steuerreform aus dem Jahr 2012, wo die damalige Behaltefrist von einem Jahr abgeschafft wurde, eine gewisse Ordnung geschaffen – vor 2012 hatte ein Durcheinander geherrscht: Etwa, weil der Gesetzgeber zwischen (KESt-pflichtigen) laufenden Erträgen und Veräußerungsgewinnen unterschieden hat, die wiederum innerhalb der Spekulationsfrist steuerbar waren und danach nicht. "Das war immer so zwischen Himmel und Hölle", so Kirchmayr-Schliesselberger. Sie hofft, dass der Gesetzgeber bei einer Novellierung auf eine Beibehaltung der damals eingeführten Ordnung achtet.

In Verbindung mit Altersvorsorge
Eine Rückdrehung zu den Verhältnissen vor 2012 sei nicht sinnvoll. "Was aber durchaus Sinn macht, ist, dass man die Wertpapier-KESt-Befreiung mit der Altersvorsorge koppelt", so die Expertin. Es sollte keine generelle KESt-Befreiung kommen, sondern eine spezifische, betonte sie.

Auch Dietmar Rupar, Generalsekretär der Vereinigung der österreichischen Fondsgesellschaften (VÖIG), sieht das so. Die VÖIG promotet seit Jahren ihr Konzept eines langfristig gesperrten Vorsorgedepots, das am Ende steuerbegünstigt ist. Rupar verwies auf erfolgreiche Modelle in anderen Ländern. In der Schweiz etwa könnten Kunden in der dritten Säule selbst bestimmen, ob sie eine Variante mit Garantie oder eine mit Kapitalmarktrisiken wollen, beziehungsweise könnten dort Anleger selbst den Risikograd festlegen. Außerdem wünscht sich Rupar, dass die Regierung bei einer Steuerbegünstigung nicht nur die generelle Altersvorsorge berücksichtigt, sondern auch damit zusammenhängende und immer wichtiger werdende Aspekte wie die Pflegevorsorge.

"Maßnahmen auch für Versicherungen"
Manfred Bartalszky, Vorstand der Wiener Städtischen Versicherung, spricht sich ebenfalls für eine langfristige Bindung aus. Seine Forderung ist allerdings, dass auch die Versicherungen (bei deren Veranlagungsprodukten anfänglich vier Prozent Versicherungssteuer abgezogen werden, aber keiner KESt) mitbedacht werden sollen. "Sollte es KESt-Erleichterungen bei der Altersvorsorge geben, dann müssen bei der Versicherungssteuer auch Maßnahmen gesetzt werden", so Bartalszky.

Dominik Bernhofer, Leiter der Abteilung Steuerrecht der AK Wien, zeigte sich erleichtert, dass die Diskussion "weggeht von einer allgemeinen Abschaffung der KESt-Pflicht". Man sollte "gesamthaft" über die drei Säulen der Vorsorge nachdenken und vor allem auch die zweite Säule – die betriebliche Vorsorge – nicht vergessen.  

"Keine Verknüpfung mit grünen Produkten"
Gemeinsam mit Expertin Kirchmayr-Schliesselberger sprach sich Bernhofer außerdem dagegen aus, ein neues staatlich gefördertes Modell zwingend mit grünen Veranlagungsprodukten zu verbinden. Dieser Gedanke ist berechtigt, schließlich sieht das Regierungsprogramm eine KESt-Befreiung für grüne oder soziale Veranlagungen vor. Beide Experten betonten, dass die Förderung ethischer Investments zwar grundsätzlich wünschenswert sei, aber in Verbindung mit einem Pensionsprodukt erneut Komplexität und Einschränkungen entstehen würden.

Bereits die vor Jahren hoffnungsvoll eingeführte prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge (PZV) mutierte bekanntlich aufgrund von Veranlagungseinschränkungen zum Ladenhüter: nie gelockerte Garantieverpflichtungen sorgten dafür, dass das Produkt im jahrelangen Kapitalmarktumfeld (keine Zinsen für sichere Anleihen) unrentabel wurde. Es solle besser ein möglichst liberales, entscheidungsneutrales, Modell eingeführt werden, mahnten Kirchmayr-Schliesselberger und Bernhofer. (eml)