Nach Ansicht von Fidelity International sind die Aussichten für europäische Aktien gut. Zum ersten Mal seit einer Dekade wächst die Wirtschaf, und zwar in ganz Europa. Die Einkaufsmanagerindizes in der Eurozone und in Großbritannien befinden sich solide im Wachstumsbereich, und die OECD-Leitindikatoren melden für drei Viertel der Länder eine positive Auftragslage.

Die anziehenden Wirtschaftsdaten gehen zudem einher mit vergleichsweise günstigen Unternehmensbewertungen und Erhöhungen der Gewinnschätzungen. "Stehen die Ampeln für Investitionen in europäische Unternehmen also auf grün?", fragt Fidelity in ihrem Marktkommentar, um gleich die Antwort zu geben: "Vieles spricht dafür."

20 Prozent günstiger als die USA
Die Bewertung europäischer Unternehmen liegt zurzeit rund 20 Prozent unter dem US-Markt und weist Potenzial nach oben auf. Unter diesen Unternehmen befinden sich zahlreiche globale und innovative Spitzenfirmen, die durch ihre Internationalisierung einen hohen Diversifikationsgrad aufweisen. Gut ein Drittel der weltweit 100 wertvollsten Marken stammen aus Europa. Gewinn, Ertragskraft und Eigenkapitalrendite vieler dieser Unternehmen haben sich erholt. "Trotz besserer Fundamentaldaten und attraktiver Bewertung haben zahlreiche Investoren das Segment jedoch noch nicht wiederentdeckt, und sie sind in europäischen Titeln unterinvestiert", schreibt Fidelity.

Nicht alles eitel Sonnenschein
"Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass zurzeit ein Wechsel des Marktregimes ansteht – ein Wechsel zu Seitwärtsmärkten", relativiert jedoch Paras Anand (Bild links), Anlagechef Europa bei Fidelity International, allzu großen Überschwang. Die von diversen Notenbanken induzierte Liquiditätsschwemme habe zu einer Preisinflation von Vermögenswerten geführt. Protektionistische Tendenzen, die den internationalen Handel beeinträchtigen, könnten die Wirtschaftsentwicklung im exportorientierten Europa hemmen.

Die Leitindikatoren seien stark, aber sie zeigten erste Zeichen einer Verlangsamung, und die strukturellen Probleme Chinas seien nicht gelöst. Anand sieht in europäischen Aktien dennoch signifikantes Potenzial für Gewinne, da gerade auch in Seitwärtsmärkten durch eine aktive Titelselektion viel Wert generiert werden kann. Fidelity Anlagechef für Europa setzt dabei auf unterbewertete Qualitätstitel, eine Einschätzung, die auch Matt Siddle, Fondsmanager des Fidelity European Larger Companies Fund, teilt.

Qualität ist entscheidend
Siddle (Bild links) eruiert Qualitätsaktien anhand von klar definierten Kennzahlen; unter anderem wählt er Unternehmen, die im Vergleich zur Konkurrenz schneller wachsen, attraktive Kapitalrenditen aufweisen und einen hohen Cashflow haben. Dabei sind nicht so sehr kurzfristige Gewinnzahlen relevant, sondern die Qualität des langfristigen Geschäftsmodells des Unternehmens. Über einen ganzen Wirtschaftszyklus gesehen, sollten Qualitätsaktien insgesamt eine höhere Rendite liefern und in Perioden negativer Märkte defensive Eigenschaften ausspielen.

Gemäß Siddle bedeutet Qualität aber nicht nur defensive Titel. Auch qualitativ hochstehende, zyklische Titel sollten dem Portfolio beigemischt werden, um optimal vom Aufholpotenzial profitieren zu können. Der Fokus auf Qualitätstitel sei besonders wichtig, da sich die Bewertungsunterschiede zwischen erstklassigen Titeln und Unternehmen schlechterer Qualität jüngst verringert haben – und minderwertige Unternehmen die eingegangenen Risiken nicht mehr genügend honorieren.

Siddle empfiehlt ein Übergewicht in den Sektoren Gesundheitswesen, Technologie und Energie und ein Untergewicht in Werkstoffen, Telecom und Nicht-Basiskonsumgütern. Der Fondsmanager konkretisiert: "Zu den interessanten Unternehmen gehören Royal Dutch Shell, das Textilunternehmen Inditex oder die Großbank Barclays." (aa)