Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in überraschend deutlichen Worten vor schweren Verwerfungen an den Finanzmärkten gewarnt. In ihrem am Donnerstag veröffentlichten halbjährlichen "Financial Stability Review" ist konkret vom Risiko einer abrupten Korrektur an den Anlagemärkten die Rede, das sich jüngst durch den spektakulären Wahlausgang in den USA und den Irritationen über die politischen Pläne von Donald Trump intensiviert habe. Hinzu kommen neue Sorgen vor eventuellen Bankenzusammenbrüchen in Südeuropa.

Die EZB stellt sogar die Schuldentragfähigkeit einzelner Mitgliedsländer infrage. Im schlimmsten Fall würden erneut finanziell schwache Staaten unter Druck geraten, heißt es im Bericht. Wer konkret damit gemeint ist, wird einige Zeilen später offensichtlich.

Die gesamtwirtschaftliche Lage in Italien bleibt wacklig. Derweil kochen Spekulationen darüber hoch, wie es politisch in den kommenden Monaten weitergeht. Grund: Am 4. Dezember stimmen die Italiener in einem Referendum über eine Verfassungsänderung ab, an dessen Ausgang Premier Matteo Renzi sein Schicksal geknüpft hat. "Natürlich denkt jeder an das Risiko, das vom italienischen Referendum ausgeht", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters den EZB-Vizepräsidenten Vitor Constancio. Die EZB werde jedoch keine konkreten geldpolitischen Vorkehrungen treffen, sondern gegebenenfalls nach dem Referendum eingreifen.

Investoren wetten auf Bankenzusammenbrüche in Italien
Damit nicht genug: Italiens Bankensektor steckt weiterhin knietief in der Krise. Constancios Versuch, verunsicherte Geldgeber mit Blick auf die italienischen Banken zu beruhigen, scheinen nicht zu fruchten. Mit Unbehagen beobachtet die EZB daher den starken Anstieg der italienischen Anleiherenditen, der bereits auf andere Peripherieländer wie Spanien oder Portugal übergegriffen hat.

Die Kreditausfallwahrscheinlichkeiten der größten italienischen Banken steigen seit Ende Oktober wieder deutlich. Anleger beziffern die Wahrscheinlichkeit, dass beispielsweise die Banco Populare in den kommenden fünf Jahren einen Ausfall erleidet, auf über 20 Prozent. Bei der Mediobanca sind es laut Berechnungen von Bloomberg über 17 Prozent, bei der Unicredit immerhin 25 Prozent. Zum Vergleich: Institute wie die Deutsche Bank oder die Crédit Suisse werden mittlerweile wieder als deutlich solider angesehen – was darauf hindeutet, dass es sich um ein vorrangig italienisches Problem handelt.

Ist Monte Paschi noch zu retten?
Das zeigen auch jüngste Meldungen um die Krisenbank Monte Paschi. Das Institut braucht frisches Kapital, um Verluste aus dem Verkauf fauler Kredite im Volumen von 28 Milliarden Euro auszugleichen. Wenn das nicht klappt, benötigt sie Staatshilfe. Doch dann müssten nach neuen EU-Vorschriften zunächst die Anleger bluten. "Ein hochbrisantes Thema, denn 55 Prozent an Monte Paschi halten rund 150.000 Kleinanleger", schreibt Reuters.

Hoffnung stirbt zuletzt
Selbst nach dem jüngst erteilten "Go" der Aktionäre für eine Kapitalerhöhung in Milliardenhöhe halten sich Zweifel an der Rettung des geschichtsträchtigen Geldhauses. Grund: Der neue Vorstandschef Marco Morelli hatte am Donnerstag auf der Hauptversammlung eingeräumt, er habe bei Gesprächen mit rund 250 Investoren keine festen Zusagen für eine Teilnahme an der fünf Milliarden Euro schweren Kapitalerhöhung bekommen. Selbst der einzige nennenswerte private Großaktionär, die Monte-Paschi-Stiftung, die noch 0,7 Prozent besitzt, hält sich offen, ob sie bei der Kapitalerhöhung mitziehen wird. Gleiches gilt für den neuen Verwaltungsratschef Alessandro Falciai, der knapp zwei Prozent hält. Der Versicherungsriese Generali hatte dagegen signalisiert, er wolle an einer Lösung mitwirken.

Die Emission soll am 7. oder 8. Dezember über die Bühne gehen – also nach dem Referendum. An der Durchführbarkeit darf gezweifelt werden. Auch die italienische Notenbank warnte bereits vor möglichen heftigen Marktturbulenzen nach der Volksabstimmung. (ps)