"Diese Entwicklungen werden für sich genommen schon eine Herausforderung darstellen, und die Länder werden mit allen gleichzeitig konfrontiert sein", hieß es am Mittwoch (19.6.) von der EZB. "Folglich müssen heute Maßnahmen ergriffen werden." Insbesondere sei dies der Fall bei Ländern mit hoher Verschuldung, die mit Zinsanstiegen zu kämpfen haben.

Laut EZB könnten die zur Bewältigung dieser spezifischen Herausforderungen erforderlichen Haushaltsanstrengungen mindestens fünf Prozent der Wirtschaftsleistung betragen. "Die erforderliche Haushaltsanpassung ist im historischen Vergleich hoch, aber nicht ohne Beispiel", so die EZB.

Die Europäische Kommission hat am Mittwoch Frankreich, Italien und mehrere andere EU-Länder gerügt, weil in ihren Staatshaushalten Defizite oberhalb des Drei-Prozent-Limits klaffen. "Auf kurze Sicht sind die Herausforderungen in Bezug auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in allen EU-Mitgliedstaaten gering", so die EU-Kommission. "Mittel- und langfristig sind sie in mehreren Ländern erhöht aufgrund der prognostizierten hohen und/oder steigenden Schuldenquoten."

Primärsalden "umgehend und dauerhaft" um zwei Prozent des BIP erhöhen
Neben den bestehenden Haushaltsproblemen, die sich häufig in hohen Schuldenquoten niederschlagen, drohten weitere Herausforderungen "in den kommenden Jahrzehnten zu erheblichen finanziellen Belastungen zu führen", hieß es. Problempotenzial gebe es unter anderem im Bereich Digitalisierung. Die Regierungen müssten "umgehend und dauerhaft" die Primärsalden um durchschnittlich zwei Prozent der Bruttoinlandsprodukte erhöhen, um bis 2070 eine Staatsschuldenquote von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erreichen, ausgehend von den heutigen Verschuldungsniveaus. 

Bevölkerungsalterung, Militärausgaben und Klimawandel könnten das durchschnittliche Defizit um weitere drei Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen, so die EZB. Die Digitalisierung wurde aufgrund der "besonderen Unsicherheit" in Bezug auf ihre Auswirkungen aus der Kalkulation ausgeschlossen.

Zwischen den einzelnen Ländern gebe es "hinsichtlich der erforderlichen haushaltspolitischen Anstrengungen erhebliche Unterschiede". Die Schätzungen gehen von Lücken in einer Größenordnung von 0,5 bis fast zehn Prozent des BIP aus.

"Die Wirtschaftspolitik sollte darauf abzielen, die hohe Staatsverschuldung schrittweise abzubauen und sich auf die Zukunft vorzubereiten", so die EZB. "Dies wird auch dazu beitragen, ein gesundes Umfeld für die Durchführung der einheitlichen Geldpolitik des Euroraums zu gewährleisten." (mb/Bloomberg)