Der sich eintrübende Wirtschaftsausblick in Europa hat nach Ansicht von Olli Rehn, Mitglied des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB), die Argumente für eine Lockerung der Geldpolitik im kommenden Monat verstärkt. Die jüngste Zunahme der Konjunkturrisiken im Euroraum "bekräftigt die Argumente für eine Zinssenkung auf der nächsten geldpolitischen Sitzung der EZB im September – vorausgesetzt, dass die Desinflation tatsächlich auf Kurs ist", sagte Rehn, der auch Zentralbankchef Finnlands ist, am Montag (19.8.) auf einer Veranstaltung in New York.

Rehn wiederholte frühere Äußerungen, wonach der Weg der Inflation zurück zum mittelfristigen Zwei-Prozent-Ziel in diesem Jahr "holprig" sein dürfte. Er betonte indessen die beträchtlichen Fortschritte, die die EZB seit dem im Oktober 2022 erreichten Teuerungshoch von 10,6 Prozent erzielt habe.

"Keine Anzeichen für Belebung des verarbeitenden Gewerbes"
"Die schlechte Nachricht betrifft die Wachstumsaussichten: Es gibt keine eindeutigen Anzeichen für eine Belebung des verarbeitenden Gewerbes, auch wenn der Schub bei den Energiekosten, der für die schwache Entwicklung verantwortlich war, weitgehend weggefallen ist", führte der Notenbanker weiter aus. Zu den Gründen des schwachen europäischen Wachstumsausblicks in diesem Jahr gehöre die Unsicherheit aufgrund von Handelskriegen und Konflikten in Europa und im Nahen Osten. Ein "unmittelbares Problem" indessen sei die sich vergrößernde Produktivitätslücke zwischen Europa und den USA.

"Wenn sich die Investitionen im verarbeitenden Gewerbe nicht erholen und das Wachstum weiterhin von den Dienstleistungen abhängt, könnte die prognostizierte Belebung des Produktivitätswachstums gefährdet werden", so Rehn. "Wir müssen auch bedenken, dass die Verlangsamung der Industrieproduktion möglicherweise nicht so vorübergehend ist wie angenommen." (Bloomberg/jb)