Seit der zehnten Zinserhöhung in Folge im September gebe es "gute Inflationszahlen" bei stark steigenden langfristigen Zinssätzen. "Dieser Anstieg mag übertrieben sein, aber er trägt dazu bei, die Finanzierungsbedingungen der europäischen Wirtschaft zu verschärfen", sagte Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau im Gespräch mit dem "Handelsblatt".

"Deshalb glaube ich, dass es derzeit keine Rechtfertigung für eine weitere Anhebung der EZB-Zinsen gibt", so Villeroy. "Es wurde viel über den Gipfel der Zinssätze debattiert. Nun müssen wir eher von einem Plateau sprechen, und wir werden für die notwendige Zeit auf diesem Plateau bleiben."

"Geldpolitik muss 'sanfte Landung' für die Eurozone anstreben"
Mehrere EZB-Räte haben signalisiert, dass die Zinsen ihren Höchststand erreicht haben dürften, sofern es in den kommenden Monaten nicht zu einem neuen Preisschock kommt, der weitere Maßnahmen rechtfertigen würde. Wachsende Bedenken gibt es indessen in Bezug auf die Konjunktur, die im Euroraum an Schwung verloren hat. Inzwischen ist der Dienstleistungssektor dem verarbeitenden Gewerbe in den Abschwung gefolgt.

"Aber wir sind nicht mit dem düsteren Szenario für die Wirtschaft konfrontiert, der 'harten Landung' durch höhere Zinsen, die viele im vergangenen Winter befürchtet hatten", sagte Villeroy. "Ich glaube, unsere Geldpolitik kann und muss jetzt eine 'sanfte Landung' für die Eurozone anstreben: Wir werden aus der Inflation herauskommen – und das wahrscheinlich ohne eine Rezession."

Der slowakische Zentralbankpräsident Peter Kazimir hat am Donnerstag (5.10.) seine Hoffnung bekräftigt, dass die beispiellose Zinserhöhungskampagne der EZB beendet ist. "Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Zinserhöhung auf der letzten Sitzung die letzte war", sagte er vor Reportern in Bratislava. "Wir müssen die Prognosen für Dezember und März abwarten. Nur reale Daten können uns davon überzeugen, dass wir den Höhepunkt erreicht haben."

"Es ist verfrüht – wir sind noch nicht so weit"
Auch wenn die Zinsen ihren Höhepunkt im Zyklus erreicht haben, ist es nach Ansicht von EZB-Vizepräsident Luis de Guindos zu früh, um über Senkungen zu diskutieren. "Es ist verfrüht – wir sind noch nicht so weit", sagte er der "Cyprus News Agency" in einem Videointerview. "Wir glauben, dass das derzeitige Zinsniveau einen sehr wichtigen Beitrag zur Erreichung unseres Preisstabilitätsziels von zwei Prozent leisten wird."

Villeroy äußerte sich ähnlich. "Die Erwartungen der Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks waren in der Vergangenheit etwas zu optimistisch, was eine baldige Zinssenkung angeht", sagte er dem "Handelsblatt".

"Gieriges Biest" ist noch nicht besiegt
Bundesbankpräsident Joachim Nagel erklärte am Donnerstag, die Inflation verlangsame sich zwar. "Besiegt ist das 'gierige Biest' aber noch nicht", sagte er in einer Rede in Karlsruhe. Die weiterhin sehr hohe Kernrate sei "beunruhigend". "Wir im EZB-Rat müssen unseren restriktiven Kurs fortsetzen, bis sichergestellt ist, dass die Inflation wieder zu unserem mittelfristigen Zielwert von zwei Prozent zurückkehrt", so Nagel. (mb/Bloomberg)