Die bei der Sitzung des EZB-Rates am 13. und 14. September vorliegenden aktualisierten Inflationsvorhersagen der Notenbank-Ökonomen dürften sich nicht wesentlich von der letzten Stabsprognose im Juni unterscheiden, meint der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot. Ob dieser Ausblick die zehnte Zinserhöhung der EZB in Folge rechtfertigt, das sei eine "knappe Entscheidung", so Knot, der im Rat der EZB als geldpolitischer Falke gilt, in einem Interview mit "Bloomberg News" in Amsterdam.

Wetten auf Zinserhöhung steigen
"Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das Erreichen unseres Inflationsziels von zwei Prozent bis Ende 2025 das absolute Minimum ist", sagte Knot. "Ich würde mich mit jeder Entwicklung, die diese Frist noch weiter hinausschieben würde, eindeutig unwohl fühlen. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn sie ein wenig nach vorne verschoben würde."

Der Euro stieg und Staatsanleihen fielen nach Knots Äußerungen, da der Geldmarkt seine Wetten darauf erhöhte, dass der EZB-Rat bei seiner Sitzung die aggressivste geldpolitische Straffung in der Geschichte der EZB verlängern wird. Die eingepreiste Wahrscheinlichkeit einer Viertelpunkt-Erhöhung liegt nun bei etwa 35 Prozent – gegenüber 30 Prozent zuvor.

Weitere Zinsanhebung "eindeutigere und effizientere Lösung"
Knots slowakischer Ratskollege Peter Kazimir hat sich am Mittwoch (6.9.) dafür ausgesprochen, die Zinsen angesichts der weiter zu hohen Teuerung nächste Woche ein weiteres Mal anheben, statt in der geldpolitischen Straffung eine Pause einzulegen. "Dies ist eine eindeutigere und effizientere Lösung", erklärte Kazimir. "Die Märkte erhalten einen klareren Hinweis auf den wahrscheinlichen Endzins – und wir haben mehr Zeit zu bewerten, ob sich die Inflation auf einem nachhaltigen Abwärtspfad in Richtung unseres Ziels befindet."

Wenige Stunden vor der einwöchigen Schweigeperiode vor dieser Sitzung bieten die Äußerungen einige der letzten Anhaltspunkte für die Überlegungen im Rat und bestätigen, dass die Entscheidung weiter offen bleibt. Der Einlagensatz liegt derzeit bei 3,75 Prozent, knapp unter einem Rekordhoch. "Die Märkte haben zu kämpfen", sagte Knot. "Sie machen wahrscheinlich einen ähnlichen Kampf durch, den wir auch durchmachen müssen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es am Ende dieses Kampfes eine Entscheidung geben wird."

"Nahe oder sehr nahe am Höchststand der Zinssätze"
Seit der Sommerpause haben mehr als die Hälfte der Notenbankchefs des Euroraums ihre Präferenz für die Entscheidung bei der September-Sitzung zum Ausdruck gebracht. Bundesbankpräsident Joachim Nagel und andere Falken wie die Gouverneure aus Belgien, Österreich und Lettland haben sich für einen weiteren Viertelpunktschritt ausgesprochen – wahrscheinlich den letzten in diesem Zyklus. Ihre Amtskollegen aus Italien und Portugal betonen hingegen, dass sich die wirtschaftlichen Risiken der harten Geldpolitik langsam bemerkbar machen.

"Ich werde heute nicht sagen, was wir am 14. September entscheiden werden, zumal unsere Optionen für diese Sitzung ebenso offen sind wie für die folgenden Sitzungen", erklärte der Gouverneur der Bank von Frankreich, Francois Villeroy de Galhau, am Mittwoch. "Aber ich bin davon überzeugt, dass wir uns nahe oder sehr nahe am Höchststand der Zinssätze befinden."

Nagel sagte in einem Interview mit dem "Handelsblatt" am Dienstag (5.9.), es wäre "falsch, nach einem Zinsgipfel auf eine schnell folgende Absenkung zu spekulieren". EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat sich nicht festgelegt, sondern lediglich gesagt, dass die Inflation zu hoch sei, die EZB entschlossen sei, sie zu zähmen, und die Entscheidungen auf der Grundlage relevanter Daten getroffen würden.

"Wir haben die Feinabstimmungsphase des Straffungszyklus erreicht", sagte Knot. "Eine Straffung – eine weitere Anhebung – ist immer noch möglich, aber nicht sicher."

Schwäche, aber keine echte Rezession
Knot verwies darauf, dass das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone im zweiten Quartal "tatsächlich stabiler war als erwartet", dass die Arbeitsmärkte sich beständig zeigen, Realeinkommen sich erholen und der Immobilienmarkt die Talsohle erreicht habe. "Ich möchte vor zu viel Pessimismus warnen", sagte der Niederländer. "Wir sprechen hier von Schwäche. Wir sprechen nicht von einer echten Rezession."

Die Fortschritte bei der Inflation seien schwer einzuschätzen. Der zugrundeliegende Preisdruck scheint ein Plateau erreicht zu haben und wird in den kommenden Monaten "deutlich zurückgehen", sagte er. Entscheidend seien weiterhin Lohnverhandlungen und die Preissetzung durch die Unternehmen.

Die Inflationserwartungen seien nach wie vor "gut verankert – auch wenn einige von ihnen, sagen wir mal, am oberen Ende dessen liegen, womit ich mich wohlfühle", sagte Knot. Die Zinssätze sind das wichtigste Instrument der EZB, um die Inflation wieder in den Griff zu bekommen. Hinzu kommt aber auch die Schrumpfung der EZB-Bilanz, die ebenfalls zur geldpolitischen Straffung beiträgt. 

Seit Mitte letzten Jahres haben Banken langfristige EZB-Kredite in Höhe von 1,6 Billionen Euro zurückgezahlt – und fällig werdende Staatsanleihen aus einem älteren Portfolio zur quantitativen Lockerung werden nicht mehr reinvestiert. "Der Markt hat dies recht gut verkraftet", sagte Knot. "Das ist ermutigend zu sehen." (mb/Bloomberg)