Experten erkennen Blasenrisiken am Anleihemarkt
Die Anleiherenditen sind auf rekordniedrigem Niveau, Anleger kaufen trotzdem munter weiter. Der Rentenmarkt ist unberechenbar geworden und könnte auf eine Blasenbildung zusteuern, warnen Fondsmanager und Ökonomen.
Die Lage am Rentenmarkt bereitet Experten Kopfzerbrechen. Für das, was aktuell passiert, gibt es keine historischen Vorbilder. Nie zuvor haben Anleiheinvestoren so viel Geld gezahlt, um so wenig Sicherheit oder Rendite zu bekommen. Jack Malvey, Marktstratege bei BNY Mellon, hat bis ins Jahr 1871 zurückgeblickt und konnte keinen Zeitraum finden, in dem die globalen Renditen auch nur annähernd so niedrig waren wie jetzt, berichtet Bloomberg. Star-Investor Bill Gross geht noch einen Schritt weiter und twitterte, die Renditen seien derzeit die niedrigsten in "500 Jahren aufgezeichneter Geschichte".
Das schwache globale Wirtschaftswachstum, negative Notenbankzinsen und die Anleihekäufe der Zentralbanken sorgen dafür, dass Staatsanleihen trotz Renditen unter Null immer noch beliebt sind. Investoren treiben die Anleihekurse immer höher – obwohl die US-Notenbank den Leitzins in den USA mittelfristig weiter anheben will. "Das macht den Markt anfälliger", sagte Torsten Slok, Chefökonom der Deutschen Bank in New York, gegenüber Bloomberg.
Aufschlag wird zum Abschlag
Rentenanleger sind nicht mehr konservativ, sondern eher tollkühn. Angesichts der niedrigen Renditen gibt es keine Resttoleranz mehr für Irrtümer. In den USA liegt die Laufzeitprämie, die den Renditeunterschied zwischen lang- und kurzfristigen Anleihen illustriert, bei minus 0,47 Prozentpunkten für zehnjährige Staatsanleihen. Aus dem Aufschlag für Langläufer ist also ein Abschlag geworden. Das deutet darauf hin, dass Anleger langfristig kein Risiko sehen, das die Renditen in die Höhe treiben könnte. In Japan, Deutschland und auch im abtrünnigen Großbritannien ist die Lage ähnlich.
Marktexperten befürchten, dass es früher oder später zum großen Knall kommt. Die extrem niedrigen Anleiherenditen seien "eine Supernova, die eines Tages explodieren wird", so Bill Gross. Deutsche-Bank-Ökonom Malvey gab sich gegenüber Bloomberg zurückhaltender. Auch er warnte aber davor, dass die Lage am Rentenmarkt unbeabsichtigte Folgen haben könne – auch für Anleger im liquidesten aller Märkte: der Aktienbörse. (fp/ps)
