Die tägliche Informationsflut kann Anleger leicht überwältigen. "Wer jedoch allein die traditionellen Bewertungsmaßstäbe auf europäische Aktien anwendet, kann allzu leicht die falschen Schlüsse ziehen. Vor dem Hintergrund wenig berechenbarer politischer Faktoren wächst 2017 die Notwendigkeit, zusätzliche Instrumente für die Aktienauswahl einzusetzen", rät Ali Tawhid, Chief Investment Officer European Value Equities beim Asset Manager AB.  

Die Chancen für europäische Aktien liegen darin, Unternehmen zu finden, die sich trotz des politischen Umfelds gut entwickelten. Denn anstelle von Einzelwertanalysen seien es gerade diese systemischen Marktfaktoren, die die Bewertungen zunehmend beeinflussen. Die Bewertung von immer mehr Aktien stehe vor dem Hintergrund makroökonomischer Unsicherheit unter Druck. Während jedoch die europäische Wirtschaft langsam Fortschritte zeigt, ergreifen einige Unternehmen schmerzhafte Maßnahmen, um ihre operative Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Tawhid dazu: "Angesichts der vielschichtigen Unternehmenslandschaft in Europa kann Naivität bei der Suche nach Wertpotenzial gefährlich sein."

Günstige Werte bieten nicht immer gute Anlagechancen
Ein Beispiel sind Finanzwerte: Sie dominieren derzeit bei europäischen Aktien die Gruppe der günstigsten Werte – gemessen an den traditionellen Bewertungsmaßstäben Kurs/Buchwert- und Kurs/Gewinn-Verhältnis. Stellen Banken deshalb gute Anlagechancen dar? "Nicht unbedingt", meint Tawhid. Denn sie kämpften mit veränderten Anforderungen an ihre Eigenkapitalquoten, während historisch niedrige Zinsen gleichzeitig ihre Gewinne drückten. Banken machten daher auch nur 1,7 Prozent der profitabelsten europäischen Aktien aus, gemessen an der Eigenkapitalrendite.

Andererseits fänden sich relativ wenige Industrie- oder Konsumtitel unter den günstigsten Titeln, wohingegen sie einen Großteil der profitabelsten Namen stellen. "So kann es passieren, dass zum Beispiel ein ETF, der sich auf Werte mit günstigem Kurs/Buchwert- oder günstigem Kurs/Gewinn-Verhältnis konzentriert, seine Investoren einem Klumpenrisiko mit Finanzwerten aussetzt. Denn diese sind anfällig für systemische Risiken und stellen darüber hinaus potenzielle Wertfallen dar, weil sie kaum Optionen haben, um ihre Profitabilität zu steigern", mahnt Tawhid.

Wahre Werte finden
Nach seiner Überzeugung es in diesem Umfeld für Anleger besser, das Augenmerk auf anspruchsvollere Instrumente zu legen, um attraktive Substanzwerte zu identifizieren. "Deshalb halten wir es für unabdingbar, neben dem Kurs/Buchwert- und dem Kurs/Gewinnverhältnis den Wert des Cashflows abzuschätzen, dabei das Schuldenprofil der Unternehmen zu berücksichtigen und genau zu verstehen, wie sich gewählte Bilanzansätze auf die Bewertung auswirken."

Das Kurs/Cashflow-Verhältnis in die Analyse einzubeziehen, könne Investoren darin unterstützen, die Gesundheit eines Unternehmens jenseits der Finanzberichte zu beurteilen, die leicht geschönt werden könnten. Ein weiterer Maßstab, das Verhältnis vom Kurs zum materiellen Buchwert, helfe, den Goodwill und andere immaterielle Vermögenswerte herauszurechnen, die bekanntermaßen nur schwer zu bewerten seien. Nicht zuletzt könne das Verhältnis von Unternehmenswert zu Umsatz helfen, um den Wert der Einkünfte zu beurteilen und dabei auch den Schuldenstand des Unternehmens mit einzubeziehen. 

Geht die Value-Erholung weiter?
Es sei zu früh um abzusehen, ob die Erholung der Value-Aktien weitergehen werde, meint AB-Experte Tawhid. Aber es sei keineswegs zu früh, nach neuen Wegen zu suchen, um unter den schwierigen Marktbedingungen in Europa werthaltige Aktien zu finden: "Wir gehen davon aus, dass Investoren auch in Europa günstige Aktien finden, die ein echtes Erholungspotenzial bieten und eine nachhaltige Überrendite erzielen". (kb)