Im geplanten EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027, das noch unter der aktuellen österreichischen Ratspräsidentschaft ausverhandelt werden sollte, ist ein bislang kaum beachteter Vorschlag enthalten: Die EU-Kommission will künftig einen gewissen Anteil der sogenannten Seigniorage-Erträge, die die nationalen Notenbanken im Zuge der Geldausgabe generieren, abschöpfen. Mit diesem Geld soll ein Fonds dotiert werden, der im Fall einer neuen Schuldenkrise Ländern dabei hilft, ihre Zinskosten zu stemmen.

"Der Fonds soll wie eine Versicherung wirken, die im Fall neuer Probleme überschießende Zinsen abfedert. Wir haben gesehen, dass die Zinslast in der Krise deutlich ansteigt und dadurch sinnvolle Infrastrukturinvestitionen zum Erliegen kommen", sagte Marc Fähndrich, Berater für wirtschaftspolitische Koordinierung in der EU-Kommission, zu FONDS professionell ONLINE. "Es ist rein zweckgebundenes Geld, das nicht in das allgemeine Budget fließt", so Fähndrich. Das Vehikel läuft unter dem Namen "Europäische Investitionsstabilisierungsfunktion".

Notenbank-Gewinne stopften bis jetzt nationale Bugetlöcher
Der Vorschlag muss zumindest zwei große Hürden überwinden: Zum einen wird damit wieder die alte Diskussion angestoßen, wann die "No-Bailout-Regel" oder das Verbot der Staatsfinanzierung laut Maastrichter Vertrag gebrochen ist.

Zum anderen ist auch der finanzielle Aspekt heikel: Die Seigniorage-Gewinne fließen nämlich derzeit in die nationalen Haushalte – bis auf acht Prozent, die rechnerisch der EZB zustehen. Laut Berechnungen der "Financial Times" dürfte die Seigniorage bis 2027 rund 112 Milliarden Euro ausmachen. Österreichs Regierung zum Beispiel stemmt sich dem Vernehmen nach heftig gegen die Umschichtung dieser Gelder.

Die Seigniorage ist der Gewinn, der durch die Ausgabe von Zentralbankgeld entsteht. Sie ergibt sich im Wesentlichen aus den Zinserträgen, die die Notenbanken durch das Verleihen von Geld erwirtschaften. Die EZB selbst gibt zwar keine Euro-Banknoten aus – es sind die nationalen Zentralbanken, die die Geldscheine für die EZB in den Verkehr bringen. Die EZB erhält aber durch ihre Forderungen gegenüber den Nationalbanken Seigniorage-Einkünfte: Ihr wurden acht Prozent aller im Euro-Währungsgebiet umlaufenden Geldscheine zugewiesen.

Budget muss binnen sechs Monaten beschlossen werden
Es sei von enormer Wichtigkeit, dass der EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 noch in diesem Jahr unter der derzeitigen österreichischen Ratspräsidentschaft beschlossen wird, sagte Fähndrich bei einer Veranstaltung der EU-Kommission in Wien. Wenn es die Österreicher nicht schaffen, dann sei die nächste realistische Möglichkeit dazu erst wieder im zweiten Halbjahr 2020, dann unter deutscher Präsidentschaft. Denn 2019 finden EU-Parlamentswahlen statt, was bedeutet, dass politisch innerhalb der EU kaum wichtige Entscheidungen getroffen werden dürften.

In erster Linie werde sich das neue Parlament nach den Wahlen mit Posten beschäftigen müssen, so Fähndrich – Kommissare müssen gefunden und geprüft werden, die neuen Parlamentarier müssen sich einarbeiten. Bleibt der EU-Haushalt in der Schwebe, hängen viele Personen in der Luft: vom Bauern, der aufgrund ungewisser Subventionslage bei der Bank keinen Kredit bekommt, bis zum Forscher, der ohne Förderung dasteht. (eml)