Investmentfonds spielen eine zentrale Rolle in der europäischen Kapitalmarktunion, denn sie helfen Investoren dabei, ihr Geld effizient anzulegen. Im Jahr 2020 hielten die Investmentfonds in der EU Vermögenswerte in Höhe von fast 19 Billionen Euro. Dabei konzentrieren sich knapp 70 Prozent des Fondsgeschäfts in der EU nach wie vor auf die vier Mitgliedstaaten Luxemburg, Irland, Deutschland und Frankreich, heißt es in einem jetzt veröffentlichten Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs.

Im Prinzip habe die EU zwar die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass ein Binnenmarkt für Investmentfonds über die Grenzen der EU-Mitgliedstaaten hinweg entstehen könne. Doch seien noch längst nicht alle ehrgeizigen Ziele erreicht, so das ernüchternde Fazit der EU-Prüfer. "Viele potenzielle Vorteile für Investoren bleiben noch ungenutzt", heißt es in einem Kommentar zu dem Bericht. "Ein echter Binnenmarkt für Investmentfonds existiert bis heute nicht, und grenzüberschreitende Tätigkeiten sind nach wie vor selten." Zudem gebe es noch immer keine einheitliche Fondsaufsicht über die Mitgliedstaaten hinweg, der Anlegerschutz sei nach wie vor schwach, und systemische Risiken würden nicht ausreichend überwacht.

Vorteile bleiben weitgehend ungenutzt
"Es bestand die Hoffnung, dass ein stärker integrierter Markt für Investitionsfonds den Unternehmen in der EU vielfältigere Finanzierungsquellen und den Investoren besseren Schutz und größere Auswahl bieten würde", erklärt dazu Rimantas Šadžius, für die Prüfung zuständiges Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. "Doch noch immer gibt es grenzübergreifende Hindernisse, noch immer existieren in der EU unterschiedliche Aufsichtsstandards und noch immer können Investoren nicht alle potenziellen Vorteile ausschöpfen."

Die Prüfer sehen eine Reihe anhaltender Schwachpunkte, die verhindern, dass die Vorteile des Investitionsumfelds in der EU ohne Einschränkungen genutzt werden können. Wirklich grenzüberschreitende Anlagetätigkeiten seien immer noch selten, und in den meisten EU-Ländern bleibe das Investmentfondsgeschäft überwiegend auf den Inlandsmarkt konzentriert. Ferner seien viele der erwarteten Vorteile für Anleger, wie niedrigere Gebühren und mehr Anlageprodukte, bisher ausgeblieben. Die Kosten seien noch immer hoch und würden zudem von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat stark variieren. Auch bestünden weiter Hindernisse für den Marktzugang, sodass es nach wie vor keine gleichen Wettbewerbsbedingungen gebe. Zudem könnten bestimmte Faktoren wie die Besteuerung, die lokale Nachfrage und die Vertriebsstrategien von Investmentfonds nicht durch EU-Recht geregelt werden.

Transparenz hat sich verbessert, aber es bleiben Probleme
Allerdings habe die EU dazu beigetragen, die Transparenz von Investmentfonds zu erhöhen, so die Prüfer. Die Anleger würden heute besser über die Risiken, die Wertentwicklung und die Kosten von Geldanlagen informiert. Es sei für sie jedoch nach wie vor sehr schwierig, Fonds EU-weit zu vergleichen. Außerdem seien die Anleger noch immer nicht gut genug geschützt, etwa vor zu hohen Kosten aufgrund undurchsichtiger Verkaufspraktiken oder auch vor einseitiger Beratung durch Anlagevermittler, die dazu führe, dass Anleger Produkte kauften, die nicht gut auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten seien.

In diesem Zusammenhang stelle auch das so genannte Greenwashing ein Problem dar: Die EU-Prüfer weisen darauf hin, dass das "ESG"-Label für ökologisch und sozial nachhaltige Fonds derzeit keiner Regulierung unterliege und daher missbraucht werden könne, um Produkte zu verkaufen, die hohen ethischen Standards nicht genügten.

Ein zahnloser Tiger
Die Prüfer sehen auch mangelnde Einheitlichkeit und Wirksamkeit bei der Aufsicht über die Fonds. Die dafür zuständige EU-Agentur ESMA habe sich zwar bemüht, die Aufsicht stärker zu vereinheitlichen, was auch zu einer leicht verbesserten Qualität und weniger Abweichungen geführt habe. Da sie jedoch beim Zugang zu Informationen vom Wohlwollen der nationalen Aufsichtsbehörden sowie dem Engagement ihres eigenen "Rates der Aufseher" abhängig sei, wisse sie nicht immer genau, ob in allen Mitgliedstaaten ein vergleichbares Maß an Kontrolle herrsche, und könne nicht abschätzen, ob Fortschritte bei der Vereinheitlichung der Aufsicht erzielt worden seien.

Die EU-Prüfer werfen in ihrem Sonderbericht auch Fragen hinsichtlich der Zweckdienlichkeit des gesetzgeberischen Ansatzes der Europäischen Kommission auf: "Die Rechtsvorschriften über die grenzüberschreitende Regulierung von Investmentfonds bestehen hauptsächlich aus Richtlinien, die von den einzelnen Mitgliedstaaten umzusetzen sind", heißt es darin. "Dabei müssen die Mitgliedstaaten auf der Grundlage ihrer eigenen Auslegung der entsprechenden Richtlinie und der nationalen Gegebenheiten jeweils eigene Vorschriften festlegen und durchsetzen." Diese Praxis habe zu erheblichen regulatorischen Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten geführt. Dementsprechend warnen die Prüfer, dass geringfügige Überarbeitungen des Rechtsrahmens allein nicht ausreichen werden, um einen echten Binnenmarkt zu schaffen. (hh)