Bert Flossbach kritisiert, wie Teile der Asset-Management-Industrie den Nachhaltigkeitstrend für sich nutzen wollen. Wenn Fondsanbieter auf jedes Produkt "ein ESG-Siegel draufhauen", könnte sich die Branche "ihren eigenen Dieselskandal einhandeln", so der Gründer des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch bei seinem Vortrag auf dem FONDS professionell KONGRESS in Mannheim. Seine Befürchtung: Wenn Anleger bemerken, dass ihr Fonds nur als nachhaltig vermarktet wurde, ohne es wirklich zu sein, droht der Branche mindestens ein Reputationsverlust.

Dass Nachhaltigkeit ein dominierender Trend ist, steht für Flossbach außer Frage: "Was für Davos gilt, gilt auch für Mannheim!", ruft er den mehr als tausend Besuchern zu, die seinen Vortrag im größten Saal im Congress Center Rosengarten teils stehend verfolgen. Er listet auf, dass allein 27 Vorträge auf dem FONDS professionell KONGRESS 2020 explizit Themen rund um Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (Environment, Social, Governance, kurz ESG) behandeln – nur zu Aktieninvestments gibt es noch mehr Referate.

"'E' alleine reicht nicht, Sie brauchen auch 'G'!"
Wie nachhaltig ein Unternehmen wirtschafte, sei für alle Investoren wichtig, nicht nur für solche, die auf diesen Aspekt großen Wert legen, betont Flossbach. Denn ein schlechtes ESG-Profil würde auf die Bewertung durchschlagen, die der Markt einer Firma zubillige.

Für Flossbach ist entscheidend, ESG-Aspekte wirklich in den Investmentprozess zu integrieren. "Es hilft nichts, wenn auf der einen Seite des Flures das ESG-Office sitzt und auf der anderen Seite das Portfoliomanagement, beide aber nicht miteinander sprechen." Wichtig sei außerdem ein ganzheitlicher Ansatz: "Wenn ein Gauner eine Solarfirma führt, hilft es Ihnen nicht, wenn die Sonne scheint. 'E' alleine reicht nicht, Sie brauchen auch 'G'!"

ESG-Ratings nicht blind vertrauen
Der prominente Vermögensverwalter begrüßt, wie sich die deutsche Finanzaufsicht Bafin jüngst zu dem Thema geäußert hat: Der Behörde zufolge gibt es keine speziellen Nachhaltigkeitsrisiken. Die Gefahren aus Klimawandel und Co. seien vielmehr Teil bereits bestehender Risiken. Die Bafin hält die Finanzbranche außerdem dazu an, ESG-Ratings nicht blind zu vertrauen, sondern sie auf Plausibilität zu überprüfen.

Dem kann sich Flossbach nur anschließen: "Sie müssen sich die Arbeit schon selbst machen!", sagt er. Als Beispiel zeigt er, wie unterschiedlich führende ESG-Ratinghäuser verschiedene Unternehmen bewerten: MSCI gibt Volkswagen null von hundert möglichen Punkten, Sustainalytics 19 und Robeco SAM 65. Genau umgekehrt fällt die Rangfolge bei Tesla aus: Der Elektroauto-Hersteller erhält von MSCI 65 Punkte, von Sustainalytics 28 und von Robeco SAM nur 13.

Kleiner Seitenhieb auf Blackrock
Lacher aus dem Publikum erntet Flossbach, als er die größten Titel zeigt, in die der jüngst lancierte "US Vegan Climate ETF" investiert: Apple, Microsoft, Alphabet, Facebook und Mastercard. Flossbach: "Das sind alles gute Unternehmen, aber was bitte hat das mit vegan und Klima zu tun?"

Auch einen kleinen Seitenhieb auf den größten Vermögensverwalter der Welt kann sich Flossbach nicht verkneifen. Blackrock-Chef Larry Fink hatte unlängst die Top-Manager der führenden Konzerne der Welt zu mehr Engagement beim Klimaschutz aufgefordert und angekündigt, das hauseigene Angebot an Nachhaltigkeitsfonds deutlich auszubauen (FONDS professionell ONLINE berichtete). "Es ist schon interessant, wie man sich in die grüne Ecke reinbringen kann, obwohl einem alles gehört, was nicht bei drei auf den Bäumen ist", meint Flossbach. Als Kritik möchte er seine Worte aber nicht verstanden wissen – ein großer ETF-Anbieter wie Blackrock sei zwangsläufig an allen großen börsennotierten Unternehmen beteiligt, egal ob es nun nachhaltig geführt werde oder nicht. (bm)