Bei der Fonds- und Wertpapierauswahl orientieren sich immer mehr Investoren an ESG-Ratings. Die Zahl der Dienstleister, die auf ESG-Analysen spezialisiert sind, steigt. Bei der Verwendung der Daten sollten Investoren allerdings vorsichtig sein. "Es gibt nach wie vor Fallstricke und bisweilen widersprüchliche Ergebnisse", sagt Jereon Bos, Anlageprofi bei NN Investment Partners (NN IP).

Das Investmenthaus hat die häufigsten Patzer identifiziert, mit denen ESG-Investoren rechnen müssen. So lassen ESG-Ratings oft einen sogannten "Größen-Bias" erkennen: Unternehmen mit einer hohen Börsenkapitalisierung schneiden im Durchschnitt besser ab. "Das bedeutet aber nicht, dass größere Unternehmen tatsächlich stärker auf die Umwelt oder die Gesellschaft achten", sagt Bos. Meistens liegt das bessere Rating daran, dass diese Konzerne schlicht über mehr Ressourcen verfügen, um ihre ESG-Politik herauszustellen.

Die meisten ESG-Bewertungsmethoden sind zudem allen Branchen gegenüber neutral eingestellt, kritisiert Bos. Heißt: In jeder Branche gibt es die gesamte Bandbreite an ESG-Bewertungen. "Selbst in Branchen mit ernsthaften Nachhaltigkeitsproblemen – wie Öl, Gas und Tabak – schneiden einige Unternehmen sehr gut ab, zum Beispiel aufgrund einer vorhandenen und auf dem Papier detaillierten ESG-Policy", sagt der Anlageprofi.

Eigene Analysen sind notwendig
Darüber hinaus bemängelt er, dass es kaum Reporting-Standards gibt und die Korrelation zwischen den einzelnen ESG-Ratings verschiedener Dienstleister sehr gering ausfällt. Viele Ratings würden außerdem von der Zeit überholt werden. "ESG-Ratings basieren sehr stark auf Meinungen, weniger auf Fakten", erklärt Bos. Daher sei es entscheidend, die dem jeweiligen Rating zugrunde liegenden Standpunkte zu verstehen. "Da ESG-Bewertungen des gleichen Unternehmens von verschiedenen Rating-Agenturen sehr unterschiedlich ausfallen können, sind die Kombination verschiedener Quellen und deren Verknüpfung mit eigenen Analysen notwendig." (fp)