Der unabhängige Kapitalmarktberater Ed Yardeni rechnet damit, dass die US-Aktienmärkte ihren Boden bereits erreicht haben und Ende 2023 zu den Höchstständen vom Januar dieses Jahres zurückkehren könnten. "Die Tiefstände aus dem Juni von 3.666 Punkten beim S&P 500 haben wir Ende September kurz unterschritten, aber danach ging es deutlich aufwärts", erklärt Yardeni in einem Interview mit dem "Handelsblatt". 

Daher gehe er davon aus, dass dies ein "ziemlich stabiler Boden" gewesen sei. Eine mögliche "Santa-Claus-Rally" könnte den S&P 500 bis Ende Dezember dieses Jahres wieder auf das Niveau von über 4.300 Punkten treiben. "Und Ende 2023 könnten wir dann 4.800 Punkte sehen", glaubt Yardeni.

Zu spät für Panikverkäufe 
Zwar herrsche unter den Anlegern nach wie vor Pessimismus. Zuweilen sei solch ein schlechtes Sentiment aber auch ein guter Kontraindikator. "Jeder, der in Panik verfallen wollte, der hat das bereits getan", sagt der US-Marktexperte. Für alle anderen Investoren sei es zu spät für Panikverkäufe. "Wer noch investiert ist, dem würde ich definitiv raten, weiter investiert zu bleiben", so Yardeni.

Sorgen bereitet dem langjährigen Beobachter der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) der Kurs der Geldpolitiker. Er geht davon aus, dass die Währungshüter die Zinsen nur noch einmal nach oben schrauben werden. Für die kommende Sitzung Anfang November erwartet er eine Erhöhung um 0,75 Prozentpunkte auf eine Spanne von 3,75 bis 4,00 Prozent. 

Fed könnte Pause einlegen
Danach könnte die Fed eventuell zu einer Pause gezwungen sein, um eine Situation wie in Großbritannien zu verhindern. Dort musste die Notenbank Ende September ein Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen auflegen, um für mehr Stabilität an den Anleihemärkten zu sorgen. Auch wenn die US-Währungshüter derzeit noch sagten, sie wollten keine Pause einlegen, rechnet Yardeni damit, dass es dazu kommen wird. 

Er beurteilt die Geldpolitik der Fed bereits jetzt als "ziemlich restriktiv". Und es sei nicht zu vergessen, dass nicht nur die steigenden Zinsen auf die Märkte einwirkten. "Die Fed baut auch in hohem Tempo ihre Bilanzsumme ab. Das wirkt so wie eine weitere Zinserhöhung von 0,5 Prozentpunkten", so der Marktexperte im Interview mit dem "Handelsblatt".

Behutsameres Vorgehen notwendig
Sollte die Fed die Zinsen tatsächlich nur noch im November erhöhen, dann würde dies eine Kehrtwende bedeuten. Denn die Notenbanker um Fed-Chef Jerome Powell hatten zuletzt noch einen weiteren Zinsschritt im Dezember signalisiert. Nach Meinung von Yardeni sollten die Geldpolitiker jedoch behutsamer vorgehen. "Sonst begehen sie einen großen Fehler", ist er überzeugt. (am)