Dieser Tage wird viel von Stagflation gesprochen, diesem womöglich ungünstigsten aller Konjunkturszenarien mit hoher Inflation bei gleichzeitig stagnierender Wirtschaftsentwicklung. Mahner erinnern an die Situation in den 1970-er Jahren, als die Wirtschaft einbrach und die Inflation in die Höhe schnellte, und meinen, jetzt Parallelen zu sehen. Man kann die damalige Situation aber mit der heutigen überhaupt nicht vergleichen, sagen Ökonomen der DWS.

In den 1970-er Jahren traten zuerst Inflationsspitzen auf, dann brach die Wirtschaft ein, ausgelöst durch zwei Ölpreisschocks. Es kam zu anhaltenden Produktionslücken, viele Arbeitssuchende fanden, trotz aller Bemühungen, einfach keinen Job – zum Teil deshalb, weil Gewerkschaften höhere Löhne erkämpft hatten, um die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu stützen.

Im Zuge der Corona-Krise brachen dagegen Inflation und Wachstum gleichzeitig ein und erholten sich auch simultan wieder. Die starke Wirtschaftserholung könnte nun langanhaltend zu einem höheren Inflationsdruck führen.

Statistiken leiden unter "Long Covid"
Die 1970-erJahre seien "eine seltsame Inspirationsquelle", heißt es vonseiten der DWS. Die Lieferketten dürften sich heute schneller wieder erholen als während der Ölkrise, Gewerkschaften haben eine deutlich schwächere Verhandlungsmacht. Der fiskalische Anreiz, der die Konjunkturerholung treibt, lässt bereits nach. "Auch hat sich Covid-19 verheerend auf die Erhebung und Berechnung von Wirtschaftsstatistiken ausgewirkt, was die Interpretation von Inflationsreihen noch schwieriger macht als sonst", geben die Experten zu bedenken.

Bei der Deutsche-Bank-Tochter befinde man sich "auf absehbare Zeit fest im Lager derer, die die Inflation wieder nachlassen sehen", erklärt DWS-Ökonom Christian Scherrmann. So oder so sei die Faszination für eine Stagflation seltsam. Sie hänge womöglich damit zusammen, dass die meisten der heutigen Anleger die Stagflation der Siebziger nur aus Erzählungen kennen. (fp)