Immer wieder verblüfft China mit der zeitnahen und exakten Veröffentlichung von volkswirtschaftlichen Daten. Nur selten und in geringem Umfang müssen diese später revidiert werden, obwohl dies  bei volkswirtschaftlichen Daten international üblich ist. Daher vermuten Beobachter schon seit Langem, dass es bei den Angaben nicht ganz mit rechten Dingen zugehen könnte. Die Fondsgesellschaft DWS weist in dem Zusammenhang nun auf den interessanten Umstand hin, dass das Gewinnwachstum börsennotierter chinesischer Firmen dem langfristigen BIP-Wachstum deutlich hinterherhinkt. Daraus sollten Anleger laut Sebastian Kahlfeld, Portfoliomanager für Emerging Markets bei der DWS, Konsequenzen ziehen.

Zwischen 2011 und 2022 ist Chinas Wirtschaft im Schnitt jährlich um mehr als sieben Prozent real gewachsen, was einer Verdopplung in dieser Periode entspricht. Solche volkswirtschaftlichen Erfolgsdaten müssten sich eigentlich auch in den Unternehmenszahlen widerspiegeln. Doch laut DWS bleibt das Gewinnwachstum der börsennotierten Firmen deutlich hinter dem BIP-Wachstum zurück: Der Gewinn je Aktie stieg in diesem Zeitraum prozentual nur etwa halb so stark wie die Wirtschaftsleistung. Ganz anders in den USA: Die Gewinne der S&P-500-Firmen wuchsen fast doppelt so schnell wie die US-Wirtschaft. In Europa sind die Firmengewinne etwas stärker, aber weitgehend im Gleichgang mit dem BIP gestiegen.

DWS empfiehlt selektives Vorgehen in China 
Zu der besonders auffallenden Diskrepanz der chinesischen Zahlen schreiben die DWS-Experten: "Ob diese Lücke daher rührt, dass entweder die BIP- oder die Unternehmenszahlen nicht repräsentativ für die Realität sind oder aber Chinas Firmen staatlicherseits hohe finanzielle Bürden auferlegt werden, ist schwer zu sagen." Für Anleger seien zwei Dinge besonders wichtig: Erstens sollten Aktienanleger sich vielleicht weniger auf das chinesische BIP verlassen, um die Lage der chinesischen Wirtschaft zu beurteilen. Zweitens scheint China kein Land zu sein, das man sich über den Kauf des gesamten Aktienindex erschließen sollte. "China als Aktionär zu ignorieren, ist simpel, schüttet aber das Kind mit dem Bade aus – einzelne Sektoren und Aktien können trotz allem sehr attraktiv sein", fasst DWS-Portfoliomanager Kahlfeld zusammen. (jh)