Börsenweisheiten sind beliebt, aber meist wenig sinnvoll. Das gilt auch für die Regel "Sell in may and go away". Auf lange Sicht hat der deutsche Aktienindex Dax zwar tatsächlich in den Sommermonaten oft schwach abgeschnitten. In den Jahren 2001 und 2002 stürzte er zwischen dem 1. Juni und dem 30. September sogar um 30 beziehungsweise 43 Prozent ab. "Daraus eine Anlagestrategie abzuleiten, macht aber wenig Sinn", sagt Christian W. Röhl, Gründer der Research-Plattform Dividendenadel.

Wer genauer hinschaut stellt fest, dass der Dax zwischen Juni und Oktober immer wieder zweistellige Gewinne verzeichnen konnte. So legte er etwa im Jahr 2005 in diesem Zeitraum um 13 Prozent zu, in den Jahren Jahr 2009 und 2012 jeweils um 15 Prozent. "Sell in may"-Anhänger haben sich diese Performance entgehen lassen. Zuletzt hat die Saison-Strategie also keinen Mehrwert gebracht.

Keine Aktien – keine Dividenden
Auch das Thema Ausschüttungen sollte Anleger davon abhalten, sich im Frühjahr von ihren Wertpapieren zu trennen. "Wer keine Aktien hält, kann auch keine Dividenden kassieren", sagt Röhl. Viele kleinere Unternehmen schütten erst im Juni oder Juli aus. "In den USA ist dank der Quartalsdividenden ohnehin immer Saison", sagt Röhl. Bei Investments in den US-Index S&P 500 hat die Saison-Strategie in den vergangenen 25 Jahren mickrige 0,3 Prozentpunkte Performancevorsprung gebracht – kaum eine angemessene Prämie angesichts des damit verbundenen Aufwands.

Im Mai an der Börse auszusteigen, ist schlichtweg Blödsinn, stellt Röhl fest. "Nach saisonalen Kriterien an der Börse aktiv zu sein ist in etwa so sinnvoll, wie als Wohungseigentümer seine Mieter Anfang November rauszuwerfen mit der Begründung, dass sich in der Adventszeit die meisten Wohnungsbrände ereignen – um dann nach Weihnachten neue Mieter zu suchen", sagt er. Statt "Sell in may" sollte es im Frühling deshalb heißen: "Better stay". (fp)