Stete Kurszuwächse, gepaart mit verlässlichen Dividendenzahlungen: Im Börsenjargon nannte man derartige Aktien einst "Witwen und Waisen"-Papiere. Nervenschonende weil schwankungsarme Anteilscheine aus grundsoliden Branchen wie Versicherungen, Stromerzeugung, Tabakverarbeitung und Nahrungsmittel zählten einst dazu, galten sie wegen der "Unkaputtbarkeit" ihrer Geschäftsmodelle doch als generationentauglich, sprich: ideal vererbbar.

Lange ist's her – und doch gibt es solche defensiven Titel auch heute noch. Man muss nur woanders nach ihnen suchen. Laut Ansicht von René Kerkhoff, Analyst für die Sektoren Technologie, Automotive und Retail sowie Fondsmanager des DJE – Mittelstand & Innovation, schlüpfen Technologieunternehmen mittlerweile in diese Rolle. Grund: Viele Unternehmen, Mitarbeiter und Verbraucher können respektive wollen ohne deren Produkte und Dienstleistungen nicht mehr leben.

Rückgrat einer modernen Volkswirtschaft
Der Bedarf an Anwendungen ist noch größer geworden, seit die Lockdown-Maßnahmen den Bedarf für Einkaufen, Lernen und Arbeiten von zu Hause aus und virtuell erhöht haben. Ohne eine robuste digitale Infrastruktur können Mitarbeiter nicht effizient von zu Hause arbeiten, und Studenten haben keinen Zugang zu Online-Kursen. Regierungs- und Gesundheitsorganisationen sind auf Technologieplattformen angewiesen, um der Öffentlichkeit zum Beispiel zeitkritische Informationen zugänglich zu machen. Mitarbeiter und Kunden erwarten lückenlose Cybersicherheit. Rechnungs- und Zahlungssysteme müssen nahtlos funktionieren, und Streaming von Musik und Videos ist inzwischen Alltag. "Das heißt: Breitband-Internet, Telekonferenzdienste, Cloud, Cybersecurity, Dating, E-Commerce, Streaming etc. sind kaum noch wegzudenken – und es wird weiter darin investiert“, umreißt Kerkhoff das Geschäftspotenzial großer Technologiefirmen.

Diesen defensiven Charakter musste sich der Technologiesektor hart erarbeiten. Denn die Unternehmen waren laut Kerkhoff weltweit im Zuge der geplatzten Dotcom-Blase im Jahr 2000 in Verruf geraten. Heute spreche jedoch vieles dafür, dass sie inzwischen nachhaltigere und profitablere Geschäftsmodelle haben. Moderne Technologieunternehmen zeichnen sich Kerkhoff zufolge durch ihre krisensicheren Geschäftsmodelle aus, was sich besonders jetzt während der Corona-Krise bewährt. Die Softwaresparte im Technologiesektor zeichnet sich beispielsweise durch einen hohen Anteil an wiederkehrenden Umsätzen aus und ist anders als der Hardwaresektor nicht so konjunkturabhängig. Darüber hinaus beabsichtigen laut einer Umfrage fast zwei Drittel der befragten Unternehmen, ihre IT-Ausgaben zu erhöhen. Außerdem hat der Ausbau der Digitalisierung in allen Wirtschaftsbereichen nach wie vor einen hohen Stellenwert.

Cashflows weniger von der Konjunktur abhängig
Lange wurde der Technologiesektor wegen des hohen Anteils an stark konjunkturabhängigen Hardwareproduzenten zu den zyklischen Sektoren gezählt. Diese Produzenten machten vor zehn Jahren tatsächlich rund 60 Prozent des globalen IT-Sektors aus, während es heute weniger als 40 Prozent sind. 

Durch den Vertrieb von Software als Service haben sich diese Unternehmen dauerhafte Kundenbindungen erarbeitet und können wiederkehrende Einnahmen sowie stabile Cashflows erzielen. "Darüber hinaus sind die Technologiekonzerne von heute bilanzstärker geworden und können hohe operative Margen aufweisen und somit im Idealfall stetig eigene Aktien zurückkaufen." Die Corona-Krise habe dem Sektor außerdem zusätzlich zu einem starken Aufschwung verholfen, da viele Unternehmen nun noch stärker in IT-Lösungen investieren. Dementsprechend sollte der IT-Sektor heutzutage auch in defensiven und substanzstarken Portfolios vertreten sein. (aa/ps)