Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) steht eine Entscheidung an, die die Welt der Kryptowährungen durcheinanderwirbeln könnte: Mitte Juli will sie festlegen, ob sie das Projekt E-Euro weiterverfolgt. Die Deutsche Bank ist von der Aussicht auf einen positiven Bescheid wenig angetan, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ). Sollte die EZB an der Entwicklung einer digitalen Gemeinschaftswährung festhalten, müsse sie mit einem Flop rechnen, warnt das Geldhaus. Der E-Euro solle "aus politischen Gründen eingeführt werden – könnte aber mangels Nachfrage scheitern", schreibt Analystin Heike Mai in einem neuen Research-Bericht.

Die Expertin der Research-Abteilung der Deutschen Bank glaubt, dass E-Euro-Nutzer kaum einen Unterschied geschweige denn Vorteil gegenüber bereits bestehenden Bezahloptionen sehen würden. Zwar ist noch nicht ganz klar, wie die neue Digitalwährung aussehen soll. Die EZB geht von zirka fünf Jahren Entwicklungszeit aus. Der E-Euro wäre aber wohl vor allem für den privaten Zahlungsverkehr in Europa gedacht. Banken würden die digitalen Münzen in Wallets aufbewahren. Zahlungen würden, anders als bei Bitcoin und Co., nicht über die Blockchain laufen, sondern über eine bestehende Infrastruktur, womöglich das EZB-Verrechnungssystem TIPS. Damit der Digi-Euro dem Fiatgeld keine Konkurrenz macht, würde er nicht verzinst. Überdies dürfte jeder Nutzer nur eine bestimmte Menge an digitalen Münzen halten.

Eine Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat
Alle bisherigen Informationen zusammengenommen stelle sich die Frage, welche Probleme im Zahlungsverkehr der E-Euro eigentlich lösen solle, heißt es von der Deutschen Bank. Im internationalen Wettbewerb dürfte er wegen der Mengenbegrenzung kaum eine Rolle spielen. In technischer Hinsicht wäre die digitale Gemeinschaftswährung wegen ihres Verzichts auf die Blockchain-Technologie wiederum keine ernsthafte Konkurrenz für Stablecoins – also Kryptowährungen, die an analoge Devisen gekoppelt sind. "Insgesamt dürfte der digitale Euro, so wie er jetzt diskutiert wird, ein Nischenprodukt im unbaren Zahlungsverkehrsmarkt werden", konstatieren die Analysten der Deutschen Bank.

Laut FAZ sieht das Kreditinstitut eine einzige Möglichkeit, dem E-Euro zu breiter Akzeptanz zu verhelfen: Wäre der Betrag je Wallet nicht gedeckelt, könnte die Digitalwährung der EZB eine attraktive Alternative zu Bankeinlagen werden. Vor dieser Entwicklung warnt die Deutsche Bank allerdings. Tauschten immer mehr Bürger ihre Einlagen in digitale Euros, würde die Notenbank letztlich anderen Geldhäusern auf dem Gebiet der Kreditvergabe Konkurrenz machen. "Das Mandat der EZB würde eine solche Transformation des Finanzsystems nicht abdecken", mahnen die Studienautoren. (fp)