"Der Aktienmarkt Chinas gehört zu den Überraschungen des Börsenjahres 2017", sagt Tomas Packa, Passive Specialist Österreich und CEE, bei der Deutsche Asset Management (DeAM). Während die Aktienmärkte der meisten Industrienationen – in Euro gerechnet – bereits im März ihren Höhepunkt erreicht hatten, haben Aktien aus Schwellenländern, speziell aus China, weiter zugelegt.

FONDS professionell ONLINE hat nachgefragt, wie lange die gute Stimmung an den chinesischen Anlagemärkten noch halten kann. Denn der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass in China auf große Hoffnungen meist hohe Wertverluste folgten.

In der Klickstrecke sehen Sie Grafiken, die die Stärken und Schwächen Chinas zeigen.

Herr Packa, der MSCI China hat 2017 kräftiger zugelegt als der MSCI World. Die Aktien gelten nicht mehr als günstig. Welche Performance können Anleger an den chinesischen Aktienmärkten bis zum Jahresende und 2018 erwarten?

Tomas Packa: Der MSCI China hat in Euro gerechnet 39,5 Prozent zugelegt und sogar knapp 60 Prozent in Hongkong-Dollar gerechnet. Diese Entwicklung ist deutlich besser als die an den Aktienmärkten der Industrieländer und der meisten Schwellenländer. Die Volatilität ist natürlich sehr hoch. Doch der MSCI China überzeugt auch in seiner langfristigen Wertentwicklung, die seit August 2006 bei 188 Prozent liegt. Die Bewertung chinesischer Aktien ist zwar gestiegen, sie ist aber niedriger als beispielsweise am US-Aktienmarkt. Die Aussichten bleiben positiv. Da die meisten Wirtschaftsindikatoren Chinas die Erwartungen zuletzt übertroffen haben, hat die Deutsche Asset Management ihre Wachstumsprognose für 2017 von 6,5 auf 6,7 Prozent und für 2018 von 6,3 auf 6,5 Prozent gehoben. Diese positive Entwicklung spiegelt ein starkes globales Umfeld sowie strukturelle Verbesserungen im Inland wider.

In der Finanzkrise 2007/2008 ging es im MSCI China noch steiler bergab als im europäischen oder globalen Pendant. Momentan wird oft die Frage nach dem "nächsten Crash" gestellt: Sollten Anleger angesichts der hohen Kurse nicht gerade in China vorsichtiger sein?

Packa: Der chinesische Aktienmarkt liefert unserer Ansicht nach langfristig gute Argumente. Aber auch für das kommende Jahr sind die Aussichten überzeugend. Die Gewinne pro Aktie der notierten Unternehmen steigen laut Schätzungen 2017 um 14 Prozent, 2018 sogar um 15 Prozent. Dagegen wird für 2018 in den USA, Japan und der Eurozone eine rückläufige Ertragskraft der gelisteten Unternehmen prognostiziert. Außerdem sollte es sich positiv auswirken, dass sich der Yuan gegenüber dem US-Dollar stabilisiert hat, und der Kapitalabfluss von China in den Dollar-Raum gesunken ist. Die Angst vor einer "harten" Landung der chinesischen Wirtschaft ist größtenteils verflogen.

Hätte man in den MSCI-China bei seinem Start 1992 investiert, stünde man vor einem Kursverlust. Warum soll ein europäischer Anleger heute an China glauben?

Packa: Der gute Jahresverlauf 2017 wurde von soliden Fundamentaldaten, von kürzlich angekündigten Reformen staatlicher Unternehmen und von Plänen zur Umstrukturierung der Wirtschaft getragen. Das alles dürfte die langfristigen Wachstumsaussichten der Wirtschaft stützen. ETF-Investoren haben bisher die Gelegenheit, in chinesische Aktien zu investieren, weitgehend verpasst. 2016 stiegen die Vermögenswerte der in Europa gelisteten chinesischen ETFs nur um 78 Millionen Euro, und in den vergangenen fünf Jahren sind die in chinesischen Aktien-ETFs investierten Vermögenswerte sogar um 2,1 Milliarden Euro zurückgegangen. Allerdings haben wir bei Xtrackers in den vergangenen Monaten bereits erste deutliche Zuflüsse in China-ETFs gesehen. Ob dies schon eine Trendwende ist, bleibt abzuwarten.

Welche "Crash"-Signale müssen Anleger in China beachten?

Packa: Die Gesamtschulden Chinas sind zweifellos auf einem hohen Niveau. Allerdings hat sich die Verschuldungsquote der Regionalregierungen in Relation zum BIP stabilisiert und die Transparenz der Zahlen wurde erhöht. Im Bankensystem haben die Kreditausfälle bereits im ersten Quartal 2017 ihren Höhepunkt erreicht, wobei das insbesondere bei kleineren Instituten zu Problemen führen könnten. Die für das chinesische Finanzsystem relevanten Großbanken scheinen solider aufgestellt. Seit Anfang dieses Jahres hat die People’s Bank of China (PBoC) begonnen, ihre Geldpolitik zu straffen. Dieser Aspekt sollte die Verschuldung künftig weiterhin dämpfen. Unterm Strich halten wir eine baldige Schuldenkrise für unwahrscheinlich. Schließlich ist Chinas Kapitalkonto nicht offen und die meisten Schulden werden von einheimischen Investoren gehalten. Bei den Staatsunternehmen hingegen ist das eigentliche Problem nicht das der Verschuldung, sondern der Wettbewerbsfähigkeit. Die angekündigten Reformen der Regierung jedoch zielen zum Großteil darauf ab, die Effizienz und Innovationskraft der Unternehmen zu stärken.

Ausgewählte A-Aktien sind seit Sommer im MSCI Emerging Markets vertreten. Konnte man einen direkten Effekt durch diese lang ersehnte Aufnahme sehen?

Packa: Es wäre noch verfrüht, jetzt schon von einem Effekt zu sprechen. Durch die Aufnahme in den MSCI Emerging Markets Index werden bis zu 450 chinesische Large- oder Mid-Cap A-Aktien Bestandteil des Index. Damit würden Investoren, die sich am MSCI EM orientieren, bis zu 340 Milliarden US-Dollar in diese Aktien investieren. Das könnte langfristig zu einer verbesserten Markteffizienz, einer geringeren Volatilität und einer höheren Beteiligung institutioneller Investoren am chinesischen Aktienmarkt führen. Viel wichtiger als der Umfang dieses ersten Schritts ist jedoch, dass mit der Entscheidung von MSCI weltweit die Aufmerksamkeit für Investitionen in chinesische Aktien gestiegen ist. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass weitere Schritte folgen werden und damit der Anteil Chinas an den Weltaktienmärkten in den kommenden Jahren weiter steigen sollte.

Vielen Dank für das Gespräch. (eml)