Die einstige Freude über den Ölpreisverfall ist mittlerweile in Sorge umgeschlagen, die Finanzmärkte sind nervös. Die Angst vor Turbulenzen könnte zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden, warnt Stefan Kreuzkamp, CIO bei Deutsche Asset Management. "Wie immer bei Verwerfungen an den Finanzmärkten erhöht sich die Gefahr, dass sich die Finanzierungsbedingungen dauerhaft verschärfen", sagt er. Das heißt: Die Finanzmärkten könnten so stark schwanken, dass die Turbulenzen auf die Realwirtschaft übergreifen.

Fällt der Ölpreis weiter, könnte das Deflationssorgen schüren. Zumindest auf kurze Sicht kann die Europäische Zentralbank (EZB) kaum etwas dagegen tun, so Kreuzkamp – abgesehen von ein paar aufmunternden Worten. Im Grunde, so Kreuzkamp, sei die US-Notenbank sogar mit Schuld an der Schieflage des Energiesektors. US-Energieunternehmen gehörten nämlich in den vergangenen Jahren zu den Nutznießern der Jagd nach Rendite, die die Notenbanken durch ihre Niedrigzinspolitik in Gang gesetzt hat. Der Ölpreisverfall habe deshalb die Sorgen über längerfristig negative Nebenwirkungen der lockeren Geldpolitik befeuert. 

Nach wie vor fällt es Kreuzkamp schwer, im US-Schieferölboom ein Beispiel für die Sorte Fehlallokation von Kapital zu sehen, die zu dauerhaft niedrigeren Wachstumsraten führen könnte." Einige Investoren werden ohne Zweifel herbe Verluste erleiden, falls und sobald Energieunternehmen ihre Hochzinsanleihen nicht mehr bedienen können." Die Steigerungen bei der US-Ölförderung und die Innovationen, die diese überhaupt ermöglichten, erscheinen ihm für die längerfristigen Wachstumsaussichten der US-Wirtschaft unterm Strich aber weiter positiv. "Oder anders gesagt: Investitionen in Schieferöl waren wahrscheinlich noch einer der besseren Verwendungszwecke des lockeren Geldes."

Turbo für den Konsum
Für die Weltwirtschaft ist der niedrige Ölpreis unterm Strich eigentlich von Vorteil. "Wir alle konsumieren Öl in der einen oder anderen Form, aber vergleichsweise wenige Menschen, Unternehmen und Länder produzieren es. Wir glauben daher weiter, dass der niedrige Ölpreis einen leicht positiven Effekt auf die wichtigsten Volkswirtschaften der Eurozone und die Vereinigten Staaten ausüben wird", sagt Kreuzkamp. Private Haushalte zahlten jetzt deutlich weniger für Benzin und Heizung, ihr verfügbares Einkommen steigt, sie können mehr Geld für andere Dinge ausgeben. "Aber es bleibt ein Risiko, dass die positiven Auswirkungen der niedrigeren Ölpreise von anhaltenden Turbulenzen an den Finanzmärkten überschattet werden." (fp)