Der Höhepunkt der ersten Coronawelle ist kaum überstanden, schon geht die Pandemie in vielen Ländern bereits in die zweite Runde. "In den USA kann man zwischen erster und zweiter Welle gar nicht richtig unterscheiden, denn der Lockdown wurde beendet, ohne dass die Zahlen deutlich nach unten gegangen waren", sagt Jörg Boysen, Chefanlagestratege bei Deka Investment. Das hat der US-Wirtschaft in den vergangenen Wochen zwar gute Wirtschaftszahlen beschert. Boysen sieht darin aber ein Spiel mit dem Feuer: "Sollte die Kurve wieder in einen exponentiellen Verlauf einschwenken, wären neue flächendeckende Lockdowns notwendig", sagt der Experte. Das würde nicht nur die US-Wirtschaft empfindlich treffen, sondern das politische System einer weiteren Belastungsprobe aussetzen. Sicherlich dürfte sich die Krise dann auch an den Aktienmärkten widerspiegeln.

Davon wollen Investoren zurzeit aber nichts hören. Die historischen Einbrüche beim Bruttoinlandsprodukt seien von den Märkten ebenso erwartet worden wie die historischen Rückgänge bei den Unternehmensgewinnen in der abgelaufenen Quartalssaison, sagt Boysen. Auch die politischen Differenzen zwischen den USA und China sowie die Unwägbarkeiten der anstehenden US-Wahl reichten nicht aus, um das Vertrauen an den Aktienmärkten zu erschüttern. "Noch bilden sich die Aussichten auf einen demokratischen US-Präsidenten nach Trump nicht in den Kursen ab", sagt Boysen. Dabei hätten die Präsidentschaftswahlen in den USA durchaus das Zeug, den Aktienmärkten einen heißen Herbst zu bescheren.

Vorsicht bei Aktien
Grundsätzlich ist Boysen zuversichtlich. "Die Wahrscheinlichkeit eines Impfstoffs im kommenden Jahr bleibt weiterhin hoch", sagt der Stratege. Damit werde sich die Wirtschaft weiter normalisieren, teilweise zurück zu alten Konsummustern. Hinzu käme die Wirkung der Geld- und Fiskalpolitik. "Die großen Kredit- und Ausgabenprogramme mit dem dazugehörigen Nullzinsumfeld werden noch lange Zeit erhalten bleiben und den Finanzmärkten weiteren Schub verleihen", glaubt Boysen. Trotzdem sollten Anleger den Risiken des Infektionsverlaufs sowie der anstehenden US-Präsidentschaftswahl Tribut zollen. Bei Deka Investment würden sich die Anlagestrategen mit Übergewichtungen von Aktien zurückhalten, sagt Boysen. (fp)