"Möglicherweise sehen wir gerade den Anfang einer Kehrtwende bei Anleiherenditen“, erklärt Peter de Coensel, CIO Fixed Income bei Degroof Petercam Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar. Und begründet dies damit, dass die Eingriffe der Notenbanken durch Anleihekäufe und andere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen nun auslaufen.

Im Rentensegment habe die Entgiftung bereits eingesetzt. Die Renditen von Staatsanleihen aus Kernländern würden sich allmählich im positiven Terrain normalisieren, da die Programme zur quantitativen Lockerung bedachtsam zurückgefahren werden. Viele Regierungen dürften höhere Investitionen vornehmen und eine nachhaltigere Haushaltspolitik verfolgen, im Rahmen derer mehr Wachstum auf eine sozial verträglichere Weise generiert werde

Was sind normale Zinsen?
Nach Jahrzehnten sinkender Zinsen und damit sinkender Anleiherenditen drängt sich laut de Coensel die Frage auf, wo denn das "normale“ Renditeniveau überhaupt liegt. Bei Degroof Petercam AM hat man sich dafür die historischen durchschnittlichen Zehn-Jahres-Verzinsungen in den Vereinigten Staaten und Europa angeschaut. Diese schwankten in den vergangenen 100 Jahren zwischen zwei und vier Prozent.

"Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis ist davon auszugehen, dass es einige Zeit dauern wird, bis das derzeitige ultra-niedrige Zinsniveau den langfristigen Durchschnitt wieder erreichen wird“, sagt der Rentenchef. Mehr denn je käme es dem Experten zufolge darauf an, geduldig zu sein: "Wir müssen davon ausgehen, dass das Regime aus niedriger Produktivität, niedriger Inflation und geringen Investitionen der Unternehmen vorerst Bestand haben wird. Erst wenn sich dieses Regime ändert, sollten die Leitzinsen wieder auf ein Niveau zwischen zwei und drei Prozent steigen können.“

Streuung notwendiger denn je
"Anleger sollten bereit sein, in ein breiteres Spektrum von festverzinslichen Anlagen zu investieren und eine intelligente Streuung unter Einbeziehung von globalen Staatsanleihen, Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating und hochverzinslichen Unternehmenspapieren vorzunehmen“, rät de Coensel, der den globalen Rentenfonds DPAM L Bonds Universalis Unconstrained managt. "Zusätzlich können nicht auf Euro lautende Anlagen die Diversifizierung und die Renditeaussichten verbessern. Bei Staatsanleihen kann zudem eine Wertsteigerung durch die Beimischung von Schwellenländer- und inflationsindexierten Anleihen erreicht werden.“

Massenspekulation bei Renten
Durch die Politik der Europäischen Zentralbank ist in Europa im Rentensegment laut de Coensel eine Massenspekulation im Gange. Gleichzeitig sind Sell-Side-Banken infolge geänderter Regelungen weniger zur Bereitstellung von Liquidität bereit. Zudem sind Anleihe-Investments in passiven ETFs kräftig angestiegen, weshalb es zu Engpässen kommen kann, wenn Anleger ihre Bestände zur gleichen Zeit abstoßen. Da Industrienationen zunehmend eine restriktivere Geldpolitik verfolgen und die Inflation tendenziell steigt, muss zukünftig mit steigenden Korrelationen zwischen Anleihen und Aktien gerechnet werden.

Anleihen könnten infolge der sinkenden Diversifizierungseffekte an Attraktivität verlieren. Anleger sollten deshalb Momentum-Strategien den Rücken kehren, denn der 35-jährige Anleihen-Bullenmarkt könnte sich allmählich in einen Bärenmarkt wandeln. (aa)