Der sogenannte Cum-Ex-Skandal, wo Banken und Investoren zu Unrecht jahrelang Rückerstattungen von Kapitalertragssteuern auf Dividenden kassiert haben und damit Millionenbeträge aus dem allgemeinen Steuersystem entnommen haben, sorgte gestern für eine hitzige Debatte im Rechnungshofausschuss des Parlaments.  

Mehr KESt rückerstattet, als bezahlt
Nach Berechnungen des Rechnungshofs war 2012 ein Schaden von 1,78 Millionen Euro entstanden. Anhand der Ausschüttungen zweier österreichischer Aktiengesellschaften, die als Vergleiche betrachtet worden waren, könnte 2010 bis 2012 ein weiterer Schaden von 5,92 Millionen Euro entstanden sein, heißt es in einer Ausführung der Parlamentskorrespondenz. Dieser Schaden lässt sich allerdings mangels Daten nicht genau berechnen. Jedenfalls dürfte mehr an KESt rückerstattet worden sein als bezahlt worden war.

Der Abgeordnete der Partei Jetzt, Bruno Rossmann, hatte gemeinsam mit Kollegen 2016 eine Rechnungshofprüfung angeregt, nachdem es öffentlich geheißen hatte, Österreich habe keinen Schaden erlitten. Rossmann sprach von Vertuschung und lieferte sich am Mittwoch im Rechnungshofausschuss einen harten Schlagabtausch mit Finanzminister Hartwig Löger. "Erst hat es geheißen, es hat überhaupt keinen Schaden gegeben, noch am 17. Oktober sprechen Sie von 1,78 Millionen Schaden für die Republik, jetzt sollen es 6 Millionen sein", so Rossmann. Außerdem würden weitere Fälle überprüft.

200 Fälle anhängig
Finanzminister Löger bestätigte weitere Fallprüfungen: "Insgesamt werden rund 200 Fälle neu aufgerollt". Löger will nun den endgültigen Gesamtschaden bis Ende des ersten Quartals 2019 berechnen. Auf die Frage Rossmanns, warum das so lange dauere, sagte Löger, man habe 2013 nach Bekanntwerden erster Fälle in Deutschland sofort reagiert, entsprechende Strukturen aufgebaut, ungerechtfertigte weitere Auszahlungen gestoppt und Einzelfälle nachgeprüft. Das sei ein enormer Aufwand.

Der Bericht des Rechnungshofs stellt das Verhalten allerdings in ein deutlich schlechteres Licht. Kritisiert wird insbesondere, dass Experten des Finanzministeriums und des Finanzamts Bruck, Eisenstadt, Oberwart einige Risiken und Unzulänglichkeiten bereits 2006 aufgezeigt hatten. Rossmann warf den verantwortlichen Finanzministern vor, wider besseren Wissens nichts unternommen zu haben. Die Rede ist im Bericht von unzulänglicher IT-Ausstattung (veraltete Verfahren, Insellösungen, händische Übertragung von Papier ins System), fehlender risikoorientierter Fallbearbeitung (kein automatischer und regelmäßiger Abgleich) und unzureichender Personalausstattung (erst seit 2013 ein eigenes Team). Des Weiteren fehle es an fachlicher Unterstützung, Fachaufsicht und Bildungsmöglichkeiten.

Tricks mit Dividenden
2012 waren in Deutschland erste Fälle von Betrügereien mit Cum-ex-Geschäften einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden: Bei Cum-ex-Geschäften werden Aktien rund um den Dividendenstichtag gehandelt. Sie werden "mit" (lat. cum) Dividendenberechtigung verkauft und "ohne" (ex) sie geliefert. In diesen Fällen ist es nicht einfach abzuklären, wer berechtigt ist, die abgeführte Kapitalertragssteuer (KESt) rückerstattet zu bekommen. Es kann zu Mehrfachrückerstattungen kommen.

Das Finanzamt Bruck, Eisenstadt, Oberwart hatte als Reaktion auf das Bekanntwerden von Schäden in Deutschland die Erstattung von 38,35 Millionen Euro nicht anerkannt und so weiteren Schaden verhindert. "Eine Rückforderung ungerechtfertigt ausbezahlter Beträge ist aber schwer möglich", räumte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker im Rechnungshofausschuss ein. Grund ist das Fehlen entsprechender Abkommen mit betroffenen Ländern zur Rückerstattung von Steuermitteln. (eml)