Auch, wenn die "Trump-Rally" in den vergangenen Tagen spürbar an Kraft eingebüßt hat, halten viele Wall-Street-Beobachter weitere Verluste für wahrscheinlich. Einige von ihnen rechnen sogar mit einem massiven Absturz – wie Paul Tudor Jones.

Die niedrigen Zinsen hätten die Aktienbewertungen in luftige Höhen getrieben, die man seit dem Jahr 2000, bevor die US-Technologiebörse Nasdaq über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren um 75 Prozent einbrach, nicht mehr gesehen habe, warnt Tudor Jones. Die Präsidentin der US-Notenbank, Janet Yellen, solle sich also warm anziehen, meint der Manager des zehn Milliarden US-Dollar schweren Tudor Investment Hedge Funds.

Eine bestimmte Kenngröße sollte Yellen nach seiner Überzeugung einheizen: Setzt man die Marktkapitalisierung aller im S&P-500-Index versammelten Unternehmen ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Vereinigten Staaten, sollte jedem Zentralbanker schwarz vor Augen werden, erläuterte das Hedgefonds-Ass bei einer Konferenz von Goldman Sachs Asset Management (GSAM).

Zurzeit, so Tudor Jones, übersteige der addierte Börsenwert der S&P-500-Mitglieder das US-BIP um rund zehn Prozent – und habe dadurch das Hoch der Jahrtausendwende zurückerobert. Mit seiner bearishen Sichtweise ist Tudor Jones nicht alleine: Der Chor jener, die das Baisselied anstimmen, wird immer größer. 

Gefährliche Gipfeljagd: US-Börsenwert im Verhältnis zur US-Wirtschaftsleistung

Quelle: Zerohedge, Bloomberg

Hedgefonds-Größen durchweg "berufspessimistisch"
Guggenheim-Partner Scott Minerd meinte, er erwarte eine signifikante Kurskorrektur in diesem Sommer oder im Frühherbst, wobei ein potenzieller Auslöser Trumps Probleme bei der Umsetzung seiner Steuersenkungspläne sein könnte. Aber auch geopolitische Risken könnten als Trigger fungieren.

Seth Klarman, der die 30 Milliarden US-Dollar schwere Baupost Group führt, schrieb Investoren in einem Brief, dass die Unternehmensinsider – also führende Manager und leitende Angestellte – bei den Verkäufen ihrer veroptionierten Aktienpakete aufs Gas steigen. Für Klarman ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Aktien-Bewertungen selbst nach Meinung der gutinformierten Entscheider in den Konzernen ausgereizt sind.

Philip Yang, ein Macro-Manager, der Willowbridge Associates seit 1988 führt, sieht einen Aktienmarktrückgang zwischen 20 und 40 Prozent voraus, wobei als Auslöser eine deutliche Wachstumsverlangsamung in China oder ein höher als erwartet ausfallender Inflationsanstieg fungieren könnte. Letzterer würde zu größeren Zinserhöhungsschritten in den USA führen.

Ein Hedgefonds-Manager mit Assets im Milliardenbereich, der seinen Namen lieber nicht veröffentlicht sehen will, meinte kürzlich, steigende Zinsen würde die Anzahl der Firmen, die sich Geld leihen, um Dividenden auszuschütten oder eigene Aktien rückzukaufen, massiv reduzieren. Ungefähr 30 Prozent des Kursanstiegs im S&P 500 seit dem dritten Quartal 2009 wurde von Aktienrückkäufen angetrieben, zeigen Bloomberg-Daten. Der Anonymous shortet den US-Markt und erwartet dieses Jahr eine bis zu zehn Prozent starke Korrektur.

Klassische Asset Manager erkennen ebenfalls Korrekturbedarf
Doch nicht nur die häufig börsenskeptischen Kenner aus dem Hedgefondslager stimmen Anleger auf entbehrungsreiche Zeiten ein. Blackrock-CEO Larry Fink, dessen Firma 5,4 Billionen US-Dollar verwaltet, wovon die meisten Produkte auf steigende Märkte setzen, meinte diese Woche, er könne sich einen Aktienkurs-Rückgang von fünf bis zehn Prozent vorstellen, sollten die Unternehmensgewinne enttäuschen.

Auch der Milliardär Leon Cooperman, lange Zeit im Bullenlager und Gründer von Omega Advisors, schrieb an seine Investoren, dass US-Aktien bis August und September auf der Stelle treten könnten, weil das Vertrauen in den Trump'schen Reflationierungs-Trade nachlasse.

Modernes Portfoliomagement als Hausse-Killer?
"Crash-Prophet" Tudor Jones sagte zwar nicht, wann genau die von ihm vorhergesagte Marktumkehr stattfinden beziehungsweise wie heftig sie ausfallen wird. Er verschwieg sich aber nicht zu einem möglichen Auslöser der Trendwende. So, wie die "Portfolio Insurance" 1987 einen der schlimmsten Crashs auslöste, den die Wall Street je gesehen hat, berge die Summe von 500 Milliarden US-Dollar, die in sogenannten Risikoparitäts-Ansätzen stecke, aktuell die größte Sprengkraft.

Vereinfacht gesagt haben Risikoparitäts-Fonds zum Ziel, das Gewinn- und Verlustpotenzial verschiedener Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, kurzfristige Geldmarktzinsen oder Rohstoffe stets auszugleichen, ohne dass sich deren Manager – wie bei herkömmlichen Fonds – Gedanken um die zu erwartenden Erträge machen respektive entsprechende Prognosen hierzu erstellen müssen. Statt ein Investmentvermögen nach starren Quoten wie "60 Prozent Aktien, 40 Prozent Anleihen" auf unterschiedliche Assets aufzuteilen, wird im Portfolio kennziffernorientiert über einzelne Risiken hinweg gestreut – beispielsweise, indem weniger volatile Anlageklassen bei gleicher risikoadjustierter Performance übergewichtet werden. Auf diese Weise soll die Wertentwicklung in der langen Frist "geglättet" und in sämtlichen Kapitalmarktphasen eine robuste Rendite erzielt werden. Soweit die Theorie.

Da die Risk-Parity-Fonds dank der niedrigen Aktienmarkt-Volatilität, die kürzlich neue Tiefstände erreicht hat, zuletzt regelkonform vermehrt die Aktienquote hochgeschraubt haben, glauben Marktteilnehmer wie Tudor Jones, dass jetzt schon ein kurzes Aufflackern der Aktienvolatilität genügt, um die Fonds zu zwingen, Aktien schlagartig zu verkaufen. Dadurch würde eine Abgabelawine losgetreten, die sich aus sich selbst heraus nährt und alles nur noch schlimmer macht. "Risk Parity", sagte Tudor Jones auf der GSAM-Konferenz, " wird der Hammer auf der Downside sein, der die Kurse nach unten prügelt." (kb/ps)