Im Umfeld der Covid-19-Pandemie müssen die Finanzmarktregulatoren überlegen, in welchen Bereichen sie aufgrund neuer Gefahren strenger sind und wo sie umgekehrt lockerer sein müssen, um die Märkte nicht weiter zu gefährden. Vor einigen Tagen hat die europäische Marktaufsicht ESMA zum Beispiel bekannt gegeben, dass die nach Mifid II vorgeschriebene Telefonaufzeichnung entfallen darf, wenn diese einem Kundenbetreuer im Home Office nicht möglich ist.

Keine Lockerung nach deutschem Vorbild
In Deutschland hat die Bafin als Aufseherin das ESMA-Statement erweitert und gleichzeitig erklärt, dass sie unter gewissen Voraussetzungen auch ein Auge zudrückt, wenn Ex-Ante-Kostenausweis oder Geeignetheitserklärung nicht zeitgerecht geliefert werden können. In Österreich wird es diese Lockerung hingegen nicht geben, stellt die FMA klar. Das ESMA-Statement zur Lockerung beim Taping sei eindeutig. Weitere Ergänzungen seien aber nicht nötig, so die Behörde gegenüber FONDS professionell ONLINE.

Eine Ausweitung der Erleichterungen auf die ex-ante Kostenausweis und Geeignetheitserklärung sei "aus Sicht des Konsumentenschutzes kritisch". "Gerade in Situationen wie derzeit sind Erleichterungen im Wohlverhaltensbereich nicht angebracht, da die Verbraucher und Anleger in einer solchen Situation besonders schützenswert sind", heißt es gegenüber der Redaktion. Weitere Lockerungen oder Ausnahmen stünden aus heutiger Sicht auch seitens der ESMA nicht an.

CEO-Fraud, Phishing und Co nehmen stark zu
Generell ist ein Aufweichen regulatorischer Vorgaben aus Sicht der Behörde auch deshalb nicht angebracht, weil sich im Umfeld der Corona-Pandemie bereits zeigt, dass Betrügereien "stark zunehmen", wie die FMA mitteilt. Meist handelt es sich um bekannte Betrugsmaschen, die in neuer Verpackung auftreten und die Verunsicherungen durch Covid-19 ausnutzen.

Unter anderem komme es wieder vermehrt zu "CEO-Fraud"-Versuchen, wobei ausgenutzt wird, dass sich viele Mitarbeiter im Home Office befinden und damit abseits der täglichen professionell eingeübten Routinen. Beim CEO-Fraud geben sich Kriminelle in gefälschten E-Mails als Vorgesetzte aus und verlangen die Überweisung von Geldbeträgen. Die FMA beobachtet auch eine Zunahme von "Phishing"-Aktivitäten, bei denen Betrüger via E-mail oder Social-Media-Kommunikation versuchen, von Verbrauchern vertrauliche Kontodaten herauszulocken, mit denen sie dann Überweisungen tätigen. Die Schreiben suggerieren oft, von der eigenen Bank zu stammen.

Penny-Stock-Pushing und "problemlose" Kredite
Zunehmend treten außerdem dubiose Informationsdienste und Anlagebriefe auf, die Insider-Tipps zu in Wirklichkeit wertlosen Aktien verbreiten. Unterstellt wird, dass die Unternehmen  angeblich kurz davorstehen, ein Covid-19-Medikament oder eine Covid-19-Impfung auf den Markt zu bringen.

Überdies beobachtet die Behörde, dass das Angebot an angeblich "problemlosen" Krediten via Mail und Internet stark zunimmt. Dabei handelt es sich in der Regel um Betrüger, die einen günstigen Kredit ohne (oder mit sehr lockerer) Bonitätsprüfung in Aussicht stellen. Vor der angeblichen Auszahlung des Kreditbetrages fordern diese aber noch eine vergleichsweise geringe Gebühr oder andere Vorab-Leistung. Diese wird einkassiert, der Kredit aber nie ausbezahlt.

Warnung vor Geldwäscheversuchen
Ein Thema, das auch Finanzberater stark betrifft, ist die Warnung, dass die turbulenten Zeiten zur Geldwäsche genutzt werden können. Schließlich lautet sogar das politische Credo, Finanzströme müssten gerade jetzt schnell und unkompliziert abgewickelt werden. Die europäische Bankenaufsicht EBA mahnt angesichts der Situation dazu, gerade jetzt noch vorsichtiger zu sein. Aus Sicht der Finanzberatung bedeutet das, dass die Pflichten wie die Feststellung des wirtschaftlichen Eigentümers oder die Plausibilitätsprüfung der Mittelherkunft mit entsprechendem Vermögensnachweis noch ernstern genommen werden sollten. 

Aus vergangenen Krisenzeiten seit bekannt, dass gerade in schwierigen oder unübersichtlichen neue Techniken und Kanäle zur Geldwäsche entwickelt werden, heißt es bei der EBA. Banken müssten insbesondere auf Zahlungsströme in Sektoren schauen "bei denen erwartet wird, dass diese von einem wirtschaftlichen Abschwung betroffen sein werden", erläutert die Unternehmensberatung KPMG die EBA-Vorgaben.

"Bei gleichbleibender oder sogar höherer Anzahl von Transaktionen sollte der Ursprung dieser Finanzströme sorgfältig überprüft werden", so die KPMG-Experten. Sie verweisen auf bargeldintensive Unternehmen im Einzelhandel, Unternehmen die am internationalen Handel beteiligt sind oder Mantelgesellschaften (Shell Companies), die in vom wirtschaftlichen Abschwung betroffenen Sektoren tätig sind. (eml)


Service: Weitere Informationen zum Thema Finanz- und Anlagebetrug: https://www.fma.gv.at/finanzbetrueger-erkennen/. Eine „FMA-Sicherheits-App“ versendet überdies aktuelle Warnmeldungen.
EBA-Geldwäsche-Aussendung: https://eba.europa.eu/eba-provides-additional-clarity-on-measures-mitigate-impact-covid-19-eu-banking-sector